Verzehrende Sehnsucht
Fluch. "Ich würde gern wissen, ob Ihr Eurem Vater anzuvertrauen gedenkt, was …" Er wollte es nicht näher ausführen und warf ihr stattdessen einen eindeutigen Blick zu.
"Warum sollte ich das nicht tun?" fragte sie gleichmütig und schaute ihn so unerschrocken an, wie Sir Urien Fitzroy es auf dem Übungsfeld immer tat, wenn Blaidd einen Fehler gemacht hatte.
"Weil ich Euch mein Wort gegeben habe, dass es nicht wieder vorkommen wird."
"Es hätte überhaupt nicht passieren dürfen."
Ihr scheint es zu gefallen, dass ich ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert bin, dachte er. Leider hat sie die Trümpfe in der Hand, und das weiß sie auch. "Das stimmt", erwiderte er also. "Es tut mir aufrichtig Leid. Manchmal ist das Herz stärker als der Kopf."
Sie schnaubte, was ausgesprochen wenig damenhaft klang. Ihr Blick wanderte unter seinen Gürtel, bevor sie Blaidd wieder ins Gesicht sah. "Tja, offensichtlich gibt es etwas, das auf jeden Fall stärker als Euer Verstand ist, Sir Blaidd. In dieser Hinsicht scheint es Euch nicht anders zu gehen als den meisten Männern. Da Ihr Euch jedoch ein weiteres Mal entschuldigt habt, werde ich Nachsicht walten lassen." Ihre Augen nahmen einen harten Ausdruck an. "Aber fasst das nicht als Erlaubnis auf, mit mir oder jemand anderem nach Belieben verfahren zu können. Und … dürfte ich Euch für die Zukunft bitten, Situationen zu meiden, die später Entschuldigungen erfordern?"
Er verneigte sich und versuchte, mehr Leichtigkeit in die peinliche Situation zu bringen. "Ich werde mein Bestes tun."
"Das wäre für alle das Beste. Andernfalls dürfte Euer Werben um die Hand meiner Schwester zum Scheitern verurteilt sein. Wenn Ihr mich bitte entschuldigen würdet, ich muss mich jetzt um die Speisenfolge für den Abend kümmern."
Mit diesen Worten schritt sie hocherhobenen Hauptes wie eine Königin an ihm vorbei. Erstaunlich, wie sie das fertig brachte, auch wenn sie hinkte.
5. Kapitel
Einige Tage regnete es, und die Menschen verbrachten die meiste Zeit in der Burg. Blaidd ging Lady Rebecca so weit wie möglich aus dem Weg. Es war offensichtlich, dass auch sie ihn mied, obwohl sie sich öfter gleichzeitig in der großen Halle aufhielten. Nur bei den Mahlzeiten wechselten sie ein paar Worte, und auch dann sprachen sie nur das Notwendigste. Sie spielte pflichtergeben auf der Harfe zum Tanz auf, sobald ihr Vater das wünschte, und Blaidd tanzte pflichtschuldigst mit Lady Laelia.
Er verbrachte die meiste Zeit mit Beccas Schwester. Ganz wie ein Mann das tun sollte, wenn er um die Hand einer schönen Frau warb. Trotz ihrer äußerlichen Schönheit konnte sich Blaidd nicht recht für Lady Laelia begeistern. Seine Gespräche mit ihr blieben stets nur oberflächliches Geplänkel, und sie schien nicht über ihre Familie oder ihr Zuhause sprechen zu wollen. Wenn er versuchte, ihr Fragen zu stellen, wirkte sie meist gelangweilt und teilnahmslos.
Nachdem er mehrmals erfolglos versucht hatte, ein Thema zu finden, das ihr Interesse weckte, gelang es ihm schließlich doch. Als er begann, vom Leben am Hofe von König Henry und seiner Gemahlin Eleanor zu erzählen, erkundigte die Schöne sich plötzlich nach dem König und der Königin, nach den Lords und Ladys, den Vergnügungen und der Ausstattung der königlichen Gemächer.
Wenn Blaidd nicht gerade von Laelia in Beschlag genommen wurde, versuchte er, Lord Throckton für Schachoder Damespiele zu begeistern. Er hoffte, ihn dabei auf unauffällige Art und Weise aushorchen zu können und herauszufinden, ob Throckton unzufrieden mit Henrys Herrschaft war und vielleicht einen Aufstand plante. Leider bestand Lord Throckton für gewöhnlich darauf, dass Blaidd Laelia Gesellschaft leistete. Offensichtlich hielt Lord Throckton das für eine große Ehre. Über politische Dinge äußerte er sich hingegen nur äußerst vage.
Trotz dieser Hindernisse und Ablenkungen behielt Blaidd den Mann so gut wie möglich im Auge und fand heraus, dass Throckton nicht im Entferntesten daran zu denken schien, sich gegen den König zu erheben. Wenn er doch einen Aufstand in Erwägung ziehen sollte, dann ließ er sich nichts anmerken und ging äußerst umsichtig zu Werke.
Trotzdem fielen Blaidd einige Dinge auf, die ihm merkwürdig vorkamen. Zum einen irritierte ihn die erstaunliche Befestigungsanlage, die der Mann offensichtlich mit viel Aufwand und Umsicht hatte konstruieren lassen. Es schien, als würde Lord Throckton jeden Tag mit dem Ausbruch eines Krieges rechnen.
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