Verzehrende Sehnsucht
Zum anderen gab es da noch das Lager, das aus mindestens einhundert gut bewaffneten Kriegern bestand. Blaidd hatte Jahre seines Lebens mit solchen Männern verbracht und erkannte deshalb sofort, dass die Krieger hervorragend ausgebildet waren. So etwas kostete Geld …
Natürlich war es möglich, dass Lord Throckton nur sein Land und seine Leute schützen wollte, doch warum gab er so viel Geld dafür aus? Das war ungewöhnlich. Außerdem fragte Blaidd sich, woher das Geld stammte, das für die Krieger, die Waffen und diese Veste ausgegeben worden war. Sicher, die Burg schien Ertrag abzuwerfen, aber dennoch hielt es Blaidd für unwahrscheinlich, dass Throckton sich eine derartige Festung und so viele Krieger leisten konnte, wenn er nicht noch über andere Einnahmen verfügte.
Aber der Mann selbst war so freundlich, so angenehm …
Sein Vater würde ihm raten, darauf nichts zu geben. Nichtsdestotrotz fiel es Blaidd schwer, sich vorzustellen, dass ein Mann, der einem königstreuen Ritter gegenüber so gastfreundlich und zuvorkommend war, insgeheim darauf aus sein sollte, den König zu entmachten.
Auch eine andere Sache wunderte Blaidd, obwohl diese nichts mit seiner Mission zu tun hatte: die ungewöhnliche Stellung von Lady Rebecca im Haushalt. Der Sitte und den Gepflogenheiten nach hätte eigentlich die Ältere, Lady Laelia, die Schlüsselgewalt innehaben müssen. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, sich um die Zubereitung der Speisen, das Leinen und alles andere zu kümmern. Doch das alles tat ausschließlich Lady Rebecca. Die Schlüssel klirrten an ihrem Gürtel, wenn sie umherging. Unermüdlich wanderte sie zwischen Küche, Lagerräumen und Speisekammer hin und her. Sie erteilte dem Gesinde Anweisungen und verhandelte mit den Händlern und Kaufleuten, die kamen, um ihre Waren feilzubieten. Offenbar kümmerte sie sich um alles, was mit dem Hausstand zu tun hatte.
Was Lady Laelia jedoch tat, außer liebreizend auszusehen und am Stickrahmen zu sitzen, das wusste Blaidd nicht.
Irgendwie machte ihn das alles nervös. Außerdem fühlte er sich allmählich eingesperrt. Doch da schien er nicht der Einzige zu sein. Trev war es offensichtlich allmählich leid, ständig nicht mehr tun zu dürfen, als Blaidds Schwert und Schild zu putzen. Er hatte zwar bisher Wort gehalten, aber ein gelangweilter junger Mann und eine hübsche Maid, die immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, konnten sich nur allzu bald in Schwierigkeiten befinden, wenn das Wetter nicht endlich aufklarte.
Also entschied Blaidd, dass er und Trev am nächsten Tag ausreiten würden, egal, ob es nun regnete oder nicht.
Doch o Wunder! Am nächsten Morgen schien die Sonne, und es war warm – ein wunderschöner Frühlingstag.
Blaidd fühlte sich augenblicklich um Jahre jünger und sehnte sich nach einem ausgiebigen, erfrischenden Galopp. Er war in so guter Stimmung, dass er vor sich hin pfiff, als sie nach der Messe die Kapelle verließen und auf die große Halle zugingen, um das Morgenmahl einzunehmen. Lord Throckton lief links neben ihm, Lady Laelia rechts. Trev bildete das Schlusslicht. Lady Rebecca war schon wieder verschwunden, wahrscheinlich war sie in die Küche geeilt, um irgendetwas zu regeln.
"Ich fühle mich so heiter wie das Lied, das Ihr pfeift, Sir Blaidd", sagte Lord Throckton und lachte mit tiefer Stimme auf. "Es scheint ein exzellenter Tag für die Jagd zu werden. Würdet Ihr mich begleiten?"
"Mit Vergnügen, Mylord." Blaidd lächelte Lady Laelia an. "Wollt Ihr uns vielleicht Gesellschaft leisten?"
Es überraschte ihn, dass Laelia ihren Vater unsicher musterte.
"Natürlich wird sie das!" rief dieser. "Keine Angst, Laelia. Ich bin sicher, dass Sir Blaidd eine moderate Gangart einschlagen wird, wenn du ihn darum bittest."
Eine moderate Gangart? Blaidd kämpfte darum, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte sich nach einem wilden Galopp gesehnt! Und er war sich ziemlich sicher, dass es Aderyn Du nicht anders erging.
Lady Laelia blickte ihn mit ihren großen grünen Augen mitleidheischend an. "Ich befürchte, ich bin eine ziemlich vorsichtige Reiterin, Sir Blaidd. Wenn Ihr lieber ohne mich ausreiten wollt, verstehe ich das vollkommen."
Blaidd versuchte sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er konnte mit Aderyn Du immer noch später ausreiten und sich am Nachmittag einen guten Galopp gönnen.
"Aber es macht mir nichts aus, langsam zu reiten. Im Übrigen, wie sollte ich die schöne Landschaft beim Galoppieren
Weitere Kostenlose Bücher