Verzehrende Sehnsucht
Weisheit zu schätzen weiß."
"Wenn er wahrhaft weise wäre, würde er die Verwandten seiner Frau nicht mit so vielen Titeln und Ländereien überhäufen", meinte Lord Throckton. Er musterte Blaidd prüfend. "Wie kommt es, dass Ihr, ein Waliser, diesen Mann nicht hasst? Sein Verhalten den Walisern gegenüber war nicht gerade großzügig."
"Nein. Das war es nicht. Ich kenne die Klagen meiner Landsleute und weiß, dass sie gerechtfertigt sind. Doch sollen deswegen viele gute Männer in den Krieg ziehen und sterben? Da ziehe ich die Diplomatie vor. Also versuche ich, die Waliser bei Hofe zu repräsentieren und für sie einzutreten, wann immer ich das kann. Außerdem ist Henry mein rechtmäßiger König. Ich habe einen Treue-Eid auf ihn geschworen, als ich zum Ritter geschlagen wurde, und bin durch meine Pflicht gebunden, diesen Eid nicht zu brechen."
"Eine Abneigung gegenüber der Anwendung von Gewalt? Das ist eine seltsame Einstellung für einen Ritter", hörte Blaidd plötzlich Lady Rebecca sagen.
Blaidd war so vertieft in seine Unterhaltung mit Lord Throckton gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass Becca und Trev sich genähert hatten.
Er brachte Aderyn Du zum Stehen und ließ Lady Laelia und ihren Vater voranreiten. Als Lady Rebecca und Trev zu ihm aufschlossen, trieb er Aderyn Du wieder an. "Nur weil ich das Kämpfen erlernt habe, heißt das noch lange nicht, dass ich es gerne tue. Ich habe blutige Tode gesehen, Mylady, und ich würde einen solchen Tod gern allen ersparen, die ich liebe, einschließlich den Bauern, welche die Ländereien meiner Familie bewirtschaften."
"Und was ist, wenn Reden zu nichts führt? Dann müssen die Männer doch kämpfen."
"Wenn alles andere versagt, dann ja. Dann stimme auch ich zu, dass es Krieg geben muss. Aber meiner Meinung nach ziehen viele Adelige leider nur aus persönlichem Machthunger und aus Gier in den Krieg. Ihnen ist es egal, wer für ihren Ehrgeiz stirbt."
"Welch bewundernswerte Einstellung Ihr habt, Sir Blaidd", sagte Lord Throckton. Er hatte sich kurz zu ihnen umgedreht und musterte Blaidd. "Ich wünschte nur, der König teilte Eure Meinung."
"Ich glaube, dass auch Henry gerne Krieg vermeiden möchte, Mylord", erwiderte Blaidd. "Er ist von Natur aus ein friedliebender Mann und vielleicht manchmal ein wenig zu großzügig. Außerdem ist er jung und frisch vermählt. Mit dem Alter wird er hoffentlich weiser werden und weniger das Verlangen haben, unbedingt seiner Frau gefallen zu wollen."
"Ja. Er ist wirklich jung und neigt zu Fehleinschätzungen. Vermutlich müssen wir Geduld mit dem Mann aufbringen", entgegnete Lord Throckton nachdenklich und sah wieder nach vorn. "Alles in allem ist es ja nur selbstverständlich, wenn ein Mann seiner Frau gefallen möchte, selbst wenn sie Französin ist. Vielleicht gerade besonders deshalb." Und beendete seine Ausführungen mit einem anzüglichen, kehligen Lachen.
Sie erreichten eine Weggabelung. Ein Weg zweigte in westliche Richtung ab, tiefer in den Wald und ins Unterholz hinein.
"Ich habe jetzt genug von diesem Gerede über König, Politik und Krieg", verkündete Lady Rebecca. "Auf Wiedersehen."
Ohne zu zögern, gab sie ihrem Pferd die Sporen, so dass es den engen Weg entlangtrabte.
Ihr Verhalten schien jedoch niemanden zu überraschen. Lady Laelia freute sich offensichtlich sogar ein wenig. Blaidd war über Beccas Verschwinden entsetzt. Es mochte zwar keine Abtrünnigen auf Lord Throcktons Land geben, aber was war, wenn Becca vom Pferd fiel? Oder sich am anderen Bein verletzte?
Lord Throckton oder Laelia zu kränken kam nicht in Frage. Blaidd konnte nicht hinter Lady Rebecca herreiten. Doch er konnte einfach nicht zulassen, dass die Dame allein durch die Gegend ritt. "Trev, reite hinter Lady Rebecca her."
Trev schaute ihn entsetzt an. "Ich werde die Jagd verpassen …"
Blaidd warf ihm einen strengen Blick zu. Der Knabe errötete und tat sofort, wie ihm geheißen.
"Das war aber wirklich nicht notwendig", knurrte Lord Throckton. "Sie wird zu galoppieren anfangen, sobald sie die Wiese auf der anderen Seite des Waldes erreicht hat. Er wird sie nie einholen."
"Ich hoffe, Ihr habt Recht, Mylord. Es wird meinem Knappen gut tun herauszufinden, dass eine Frau ihn übertreffen kann. Auch wenn er ein noch so hervorragender Reiter ist", entgegnete Blaidd und gratulierte sich insgeheim, dass ihm so eine gute Ausrede eingefallen war.
Auch wenn er gerade versucht hatte, seinen Gastgeber vom Gegenteil zu überzeugen, so
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