Verzehrende Sehnsucht
es nicht interessiert, was eine Frau wirklich denkt. Es ist zwar nicht immer angenehm, die Wahrheit zu hören, aber ich versichere Euch, ich ziehe sie auf jeden Fall irgendwelchen Ausflüchten vor."
"Ihr meint das ernst, nicht wahr?" fragte sie ihn fassungslos. In ihren Augen stand tiefe Bewunderung.
"Nun, innerhalb bestimmter Grenzen natürlich", fügte er dann einschränkend hinzu.
Sie runzelte verdrießlich die Stirn; ihre Mundwinkel zeigten nach unten. "Ja, manche Frauen sind viel zu unverblümt und nehmen sich zu viele Freiheiten heraus."
"Ich vermute, Ihr sprecht von Eurer Schwester?"
"Sie kann manchmal sehr anstrengend sein." Laelias Stimme wurde weicher. "Ich versuche, mich nicht allzu sehr über sie zu ärgern. Es muss ihr schrecklich weh ums Herz sein bei dem Gedanken, nie einen Ehemann zu bekommen. Mit diesem Bein … und bei diesem Mundwerk … welcher Mann würde sie so schon wollen? Trotzdem ist es eine Erleichterung für mich zu wissen, dass mein Vater im Alter jemanden haben wird, der für ihn sorgt, wenn ich verheiratet bin."
Damit schien das Thema für sie erledigt zu sein. Es hätte ihn eigentlich nicht überraschen sollen, dass Laelia so überzeugt war, welches Schicksal ihrer Schwester bevorstand. Denn so war das Los jeder jüngeren Schwester, die keinen Mann abbekam. In Lady Rebeccas Fall fand er das jedoch sehr schade. Ihren Vater im Alter pflegen zu müssen war sicherlich keine schöne Aufgabe, aber noch unangenehmer wäre es, ins Kloster zu gehen. Und Blaidd konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Rebecca dies tun würde.
Die verehrenswürdige Äbtissin und Vorsteherin des Klosters würde nicht wissen, wie ihr geschah, und vielleicht vermuten, der Teufel in Menschengestalt suche sie heim. Er musste bei der Vorstellung grinsen, wie Becca sich im Kloster benehmen würde.
Es wollte aber auch nicht zu Becca passen, ihren Vater pflegen zu müssen. Es stand ihr viel besser zu Gesicht, den Haushalt eines Mannes zu führen und sich um eine lautstarke Familie zu kümmern. Er sah sie schon umgeben von glücklichem Gesinde und ungestümen dunkelhaarigen Kindern vor sich. Mit ein paar Welpen zu ihren Füßen, die das Bild komplett machten. Beccas treu sorgender Gatte würde sich von hinten an sie heranschleichen und seine Frau umarmen. Sie würde fluchen und dann lachen, wenn er sie zu sich herumdrehte und sie, ohne weiter auf die Knechte, Mägde, Kinder und Welpen zu achten, leidenschaftlich küsste …
Blaidd zwang sich, nicht mehr an so etwas zu denken, und blickte mehrfach zu der reich ausgestatteten schönen Frau, die langsam neben ihm ritt. Diese Frau würde vermutlich Welpen hassen. Sie wären ihr zu laut und zu schmutzig. Vielleicht würde sie sogar das Gleiche über Kinder denken.
Nicht, dass es wichtig war. Immerhin, er wollte sie ja nicht wirklich heiraten … oder irgendjemand anderen.
Es war schon später Nachmittag, als Becca und Trevelyan zur Burg zurückkehrten. Was für ein frecher Kerl dieser Junge doch ist, dachte Becca, als sie gerade absitzen wollte.
Währenddessen sprang der junge Trev leichtfüßig vom Pferd, stand im nächsten Moment neben ihr und hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Absitzen zu helfen.
Wer anderes als ein junger Frechdachs hätte es gewagt, einfach hinter ihr herzurufen? Zu behaupten, dass sie anhalten müsse oder er sich übergeben würde, wenn sie weitergaloppierte?
Sie hatte aus Sorge, dass ihm etwas fehlen könne, ihr Pferd zum Stehen gebracht. Im nächsten Moment hatte ihr der junge Mann gestanden, dass er gelogen habe, um sie zum Anhalten zu bewegen. Dann hatte er ihr erklärt, dass er sterben würde – er würde "vor Scham völlig vergehen", wenn er ohne sie zurückkäme. Und nicht nur das. Sir Blaidd Morgan würde ihn auf eine Art maßregeln, wie nur jener Ritter es konnte. Ohne zu schreien. Aber: "Oh, Mylady, er kann einem mit bloßem Blick die Haut abziehen."
Sie wollte nicht, dass der Junge ihretwegen Ärger bekam. Also hatte sie ihm erlaubt, mit ihr zu reiten. Als sie am grasbewachsenen Ufer des Flusses saßen, vertraute ihr Trevelyan ein paar sehr interessante Dinge über Sir Blaidd Morgan an. Darunter auch die Tatsache, dass er bei Hofe sehr geschätzt wurde, von Männern und Frauen gleichermaßen.
"Er ist ein intimer Freund des Königs", hatte der junge Fitzroy geprahlt.
Sie hatte sich gefragt, wie ihr Vater wohl auf diese Information reagieren würde. Es war sicher kein Geheimnis, dass er nicht viel von Henry
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