Verzehrende Sehnsucht
erkannte sie, dass ihr Vater und ihre Schwester einen Prinzen Blaidd jederzeit vorziehen würden.
Was für ein Glück, dachte Becca. Denn wenn der dänische Prinz sich um Laelias Hand bemühte, wäre Blaidd frei und könnte offen um Becca werben. Diesen Gedanken fand sie überaus angenehm und aufregend. Sicher würde Laelia ihrer Schwester die Beziehung zu Blaidd nicht mehr neiden, wenn sie selbst die Frau eines Prinzen und somit Prinzessin werden würde.
Aber was würde König Henry von einer Verbindung ihrer Familie mit einem dänischen Prinzen halten?
Sie waren nicht von höchster Geburt, wie ihr Vater immer zu sagen pflegte. Ein Umstand, den Laelia beklagte. Vielleicht hatte ihr Vater ja Recht, und dem König war es gleichgültig, was sie taten, solange ihr Vater pünktlich seine Steuern bezahlte.
Ich werde Blaidd um Rat fragen, beschloss Becca. Er konnte die mögliche Reaktion des Königs besser einschätzen. Falls Blaidd meinte, dass der Besuch des ausländischen Prinzen zu riskant sei, dann könnte sie immer noch versuchen, ihrem Vater auszureden, Geschäfte mit den Dänen zu machen.
Noch bevor Becca einen Schritt tun konnte, rief ein Wachtposten, dass sich eine große Gesellschaft näherte.
Wenige Minuten später ritt eine Entourage, die eines Prinzen würdig war, durchs innere Tor. Ihr Vater schien die Wächter verständigt zu haben, die Reiter ohne weiteren Verzug durchzulassen. Die Banner des dänischen Prinzen wehten im Wind, die Luft war von dem Geräusch der Kettenhemden, Pferdegeschirre und dem Knarren des über die Pflastersteine rumpelnden Gepäckwagens erfüllt.
Ein blonder Riese von einem Mann – offensichtlich der Prinz – ritt an der Spitze der Schar bewaffneter und gepanzerter Männer. Den blauen Umhang, der von einer riesigen goldenen Brosche gehalten wurde, hatte er über seine breiten Schultern geworfen. Sein Kettenhemd glitzerte in der Sonne. Er schaute sich im Hof mit dem Blick eines triumphierenden Siegers um, der als gefeierter Held nach Hause zurückkehrte.
Becca beobachtete dieses Schauspiel verblüfft und zugleich besorgt. Die Männer, die auf der Mauer postiert waren, wie auch die Männer am Tor starrten die Neuankömmlinge sprachlos an. Dienstleute lugten aus Türen und Fenstern. Einen Moment später kam ihr Vater aus dem Stall, mit einem strahlenden Lächeln – wie ein Kaufmann, der einen Kunden mit einer wohlgefüllten Börse erspäht hatte. Es fehlte nur noch, dass er sich die Hände rieb.
Becca trat näher an die Treppe heran. Dobbin und Blaidd, gefolgt von einem keuchenden Trevelyan Fitzroy, kamen hinter den letzten Dänen durchs Tor. Die beiden älteren Männer schwitzten. Ihr Atem ging schnell, als wenn sie gerannt wären. Dobbin sah entsetzt und verwirrt aus. Blaidds Gesicht verriet nichts. Doch Becca bemerkte, dass seine Schultern angespannt waren und er die Brauen fragend hochgezogen hatte.
Blaidd begann, sich einen Weg durch die Schar der geringschätzig dreinblickenden Dänen zu bahnen. Er ging direkt auf Beccas Vater und den Prinzen zu. Dobbin blieb mit seinen Männern am Tor stehen.
Der Däne schwang sich aus dem Sattel und landete leichtfüßig auf dem Boden. Wenn man bedachte, dass er über einen Meter neunzig groß sein musste und Schultern wie ein Ochse hatte, war das eine erstaunliche Leistung. Er lief direkt auf Lord Throckton zu, der jetzt auf der Treppe stand, die zur großen Halle führte.
"Seid gegrüßt, Prinz Valdemar!" rief ihr Vater.
Bevor er fortfahren konnte, verlangsamte der dänische Prinz seinen Schritt – nicht wegen der Begrüßung von Beccas Vater, sondern weil er Laelia erblickt hatte, die am Eingang der Halle aufgetaucht war.
Zum ersten Mal schmolz Beccas Schwester nicht unter dem Blick eines Mannes dahin wie eine welkende Blume. Sie blickte auch nicht demütig zu Boden. Nein. Laelia starrte den Dänen an, als wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Mann sah.
Er betrachtete sie ebenfalls und schien alle anderen Menschen völlig zu vergessen.
Lord Throckton bedeutete Laelia mit einer Geste vorzutreten. "Prinz Valdemar, erlaubt mir, Euch meine Tochter Laelia vorzustellen."
Sie lächelte und verneigte sich mit einer Energie und einem Eifer, den Becca zuvor noch nie an ihr bemerkt hatte.
Der Däne verbeugte sich tief. "Es ist mir eine Ehre, Mylady", sagte er mit tiefer Stimme.
Laelia strahlte. Doch diesmal erhellte ihr Gesicht kein künstliches Lächeln, mit dem sie sonst die meisten Männer bedachte, sondern ein
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