Verzeih mir, mein Herz!
fernen Punkt hinter seinem Kopf fokussierte und in ebenso vertraulichem Ton, der jegliches Überhören ihres Gesprächs für alle Anwesenden unmöglich machte, sagte: „Wir müssen miteinander sprechen, bevor Sie wieder abreisen. Es gibt einige geschäftliche Angelegenheiten, die wir klären sollten.”
Jordan sah ihr hinterher und ignorierte die höchst erfreute Lady Susan, die sich gleich bemühte, einen guten Eindruck auf ihn zu machen und dabei schamlos über ihren Cousin verfügte, der sie mit wachsendem Unbehagen betrachtete.
Elizabeth verbrachte eine höchst unangenehme Nacht in ihrem Zimmer, da sie keinen Schlaf fand und sich die Szene des Abends unaufhörlich vor ihrem inneren Auge abspielte. Jordan hatte sich zehn Jahre lang nicht die Mühe gemacht, sie aufzusuchen, warum gerade jetzt? Und warum musste er ausgerechnet diesen Kerl mitbringen? Seinen
Freund
? Daniel Radcliff, allein der Name machte sie krank! Natürlich war sie ungerecht, schließlich konnte sie ihm nicht einfach die gesamte Bürde der Verantwortung aufhalsen. Sie hatte zu viel getrunken gehabt und war überaus eifrig in seine Arme gesunken. Sie hätte ihn vehement auffordern müssen, sie auf der Stelle loszulassen, gleich, als er sie zu Beginn in die Arme genommen hatte. Sie hätte sich an ihre Pflicht erinnern müssen! Sie hätte … aber sie hatte nicht.
Es war müßig, nun über ihre Versäumnisse zu lamentieren. Sie würde ihren Teil der Verantwortung tragen, für den Rest ihres Lebens. Es stand außer Frage, dass sie die Verlobung lösen musste. Sie konnte sich Susans und Lady Chadwicks Schadenfreude geradezu bildlich vorstellen. Aber es führte kein Weg daran vorbei. Vielleicht konnte sie ihren Onkel dazu überreden, sie auf Barks End wohnen zu lassen, dann bräuchte sie sich auch nicht mehr mit der Tante und der Cousine zu befassen. Ein langes, ruhiges, abgeschiedenes Leben auf dem Land. Einsam. Sie würde niemals Kinder haben oder erfahren, was ihre Eltern verbunden hatte. Natürlich hätte eine Ehe mit Jordan denselben Ausgang haben können. Jordan. Warum tat es nur so weh, sich von dem Gedanken verabschieden zu müssen, eines Tages sein Herz gewinnen zu können?
Hatte sie nicht schon vor langer Zeit das kleine Medaillon weggelegt, das ihr der Duke zu ihrem elften Geburtstag geschenkt hatte und in dem ein Miniaturporträt des Verlobten steckte! Der Duke! Gott, was sollte sie ihm nur sagen? Wie sollte sie ihm jemals wieder unter die Augen treten? Was hatte sie nur angestellt!
„Guten Morgen, altes Haus!”, grüßte Daniel seinen missmutig dreinschauenden Freund gut gelaunt und belud seinen Teller mit Köstlichkeiten, die auf der Anrichte bereitstanden. Jordan grunzte nur und vertiefte sich wieder in seine Tasse Kaffee. Er hatte schlecht geschlafen und war generell eher ein Morgenmuffel, ein Umstand, dem sich Daniel durchaus bewusst war. Dennoch hielt es ihn nicht davon ab, seinen Frohsinn zu verbreiten.
„Mit etwas Glück sind die Damen des Hauses keine Frühaufsteher und wir können fort sein, bevor wir meiner Tante und meiner Cousine noch einmal über den Weg laufen! Ich verspreche dir, ein ausgedehnter Ritt rüber nach Radcliff Manor wird uns gut tun und die Gesellschaft von Eleonore und Perdita ist wesentlich nervenschonender. Andererseits möchtest du vielleicht deine reizende Verlobte bitten, uns zu begleiten? Ich hätte nichts dagegen, sie etwas näher kennenzulernen. Meinst du, ihre scharfe Zunge ist angeboren? Oder anerzogen? Papa sagt stets, in der Gesellschaft meiner Tante müsste jedes Wesen verenden.”
Jordan brachte Daniel mit einem vernichtenden Blick zum Schweigen. „Ich werde Elizabeth ganz sicher nicht bitten, uns nach Radcliff zu begleiten! Und du wirst deinen Charme bitte auf Miss Carmichael beschränken, meinetwegen auch auf alle drei.”
„Ach?” Das hörte sich für Daniel nicht nach einer baldigen Abreise an. „Hast du deine Meinung geändert?”
Jordan seufzte. Er hatte seine Meinung nicht geändert. Er würde Elizabeth zu dem von ihr vorgeschlagenen geschäftlichen Gespräch treffen und ihr dann sagen, dass sie die Verlobung lösen mussten. Zwar wusste er noch nicht, wie er das hinkriegen sollte, aber er war zuversichtlich. Was blieb ihm sonst auch anderes übrig?
„Keineswegs, aber du hast sie gestern Abend gehört, anscheinend weiß sie nichts von der Klausel, die es ihr ermöglicht, die Verlobung zu lösen.”
„Oder sie hat es schlicht und ergreifend nicht vor, mein Lieber, du bist
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