Verzeih mir, mein Herz!
interessiert, um ihre Identität herauszufinden? Nein, unmöglich, er müsste dann ja annehmen, dass es Susan gewesen war! Erleichtert ließ sie die Schultern sinken. Susan hatte das Kleid anfertigen lassen! Sie stutzte. Susan war kleiner als sie, ihre Taille war nicht so schmal wie Elizabeths und ihr Busen hatte nicht dieselbe Fülle, aber das Kleid hatte ihr wie angegossen gepasst. Susan hätte in ihm absurd ausgesehen! Langsam ließ sie sich auf einen umgefallenen Baumstamm nieder und legte die Hand über ihre Augen.
„So ein Unsinn!”, schalt sie sich und musste über sich selbst lachen, aber das flaue Gefühl im Magen blieb.
Elizabeth starrte aus dem Fenster des kleinen Salons, in den sie sich nach ihrem Spaziergang geflüchtet hatte. Sie hatte die Einsamkeit gesucht und sie gleichsam gefürchtet.
„Beth?”
Erschrocken sah das angesprochene Mädchen auf und blinzelte. Ihre Cousine Melanie war neben sie getreten und betrachtete sie mit ihren ernsten Augen, als wäre etwas ganz fürchterlich falsch an ihr.
„Was … was ist denn, Meli?”
„Hast du mich nicht gehört? Ich habe dich dreimal angesprochen.”
„Entschuldige, Liebes, ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.” Bedauernd strich sie der Kleinen über den Arm und versuchte zu lächeln.
„Wegen Lord Aylesbury? Wird er dich jetzt heiraten?”
Elizabeths Lächeln verblasste. „Ganz sicher wird Aylesbury früher oder später heiraten.”
„Du weichst mir aus!”, klagte Melanie indigniert und presste ihre Lippen aufeinander.
„Wirst du ihn nun heiraten oder nicht?”
„Er ist hergekommen, um mich kennenzulernen, und dann werden wir gemeinsam entscheiden, ob wir unser Leben miteinander teilen wollen.”
„Er gefällt mir!” Melanies enthusiastischer Ausruf entlockte der Älteren ein aufrichtiges Lächeln.
„Dann bin ich froh, dass du noch zu jung bist, um mir Konkurrenz zu machen.”
Melanie kicherte fröhlich. „Du meinst wie Susan? Du hättest sie gestern Abend erleben sollen. Fürchterlich aufdringlich ist sie gewesen und Lady Chadwick saß da und schwadronierte über Susans vorbildliches Benehmen, ihre hervorstechende Grazie und die Lieblichkeit ihres Lachens. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass es das längste Dinner war, das ich hier je erlebt habe!”
Ganz gegen ihren Willen musste Elizabeth lachen. Es musste ein zauberhafter Abend gewesen sein! „Es tut mir so leid, dass ich euch so im Stich ließ!”
„Das war doch Absicht!”, neckte Melanie und stieß spielerisch gegen die Schulter des älteren Mädchens, das bei der Beschuldigung nur dieselben leicht zuckte.
„Nun, wahrscheinlich war es ein ganz schöner Schock für dich, Aylesbury so unvermutet wiederzusehen?”
Ihr Lächeln schwand dahin und Elizabeth wandte sich wieder dem Fenster zu, an dem sie gesessen hatte, bevor Melanie sie ansprach. „Ich war tatsächlich … überrascht.”
„Beth, was ist denn nur los mit dir? Seit du aus London zurück bist … du bist so anders!” Melanies Besorgnis rührte Elizabeth zu Tränen, aber es war ihr unmöglich, sich dem Mädchen anzuvertrauen.
„Unsinn Meli!”
„Beth, bitte! Du bist blass, angespannt, du lächelst kaum noch und wenn doch, dann ist es nicht aufrichtig. Ich kenne dich und du bist nicht mehr du selbst! Allein der Auftritt gestern Abend!” Melanie Carmichael rang verzweifelt die Hände, war sie doch mit ihrem Latein am Ende. Die Cousine war immer für sie und die kleine Schwester Jasmine da, sie konnten mit ihr über alles sprechen und erhielten Trost und Zuspruch, aber auch konstruktive Kritik.
„Sprich doch bitte mit mir!”
„Ich werde die Verlobung lösen und ich habe vor, nach Barks End zu ziehen.”
Melanie sperrte verblüfft den Mund auf. „Aber warum? Ich dachte immer … ich dachte, du wärst glücklich mit der Verlobung!”
„Ich bin nicht mehr glücklich gewesen, seit ich von Ernests Tod erfahren habe.”
„Oh, Beth! Das ist doch schon so lange her! Du musst sie gehen lassen, lass sie ruhen, Liebes. Ich vermisse Papa und Mama auch schmerzlich, aber sie sind tot und das Leben geht weiter. Sie hätten nicht gewollt, dass du dich so grämst!” Tränen liefen dem Mädchen über die Wangen und sie legte der verspannten Cousine eine Hand auf den steifen Rücken.
„Das weiß ich, Meli. Darum geht es doch. Ich bin stecken geblieben. Der Tod meiner Familie hat mich mattgesetzt und endlich habe ich es geschafft, mich freizuschaufeln. Das Leben geht weiter, mein Leben geht weiter
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