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Verzweifelte Jahre

Verzweifelte Jahre

Titel: Verzweifelte Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitta Sirny-Kampusch
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knackte wieder. Und diesmal war mir, als ob hinter mir jemand ginge. Ich spürte die Bewegung, einen Luftzug. Ich fröstelte. Unvermittelt schaltete die Wirtin das Band ab, drückte auf Eject und gab es mir. Wie ein Andenken. »Hör’s dir an«, sagte sie, »mehr sag ich dazu gar nicht, das nächste Mal reden wir drüber .« Draußen hupte jemand. Die zwei Stunden waren um. Ich hätte gewettet, es wären nicht mehr als dreißig Minuten gewesen. Ich verabschiedete mich von der Wirtin. »Wie war’s ?« , fragte mich mein Begleiter, als ich in den Wagen stieg. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. »Du bringst ja eine Kälte mit .« Meine Antwort hatte sich erübrigt. Die Fahrt verlief schweigend. Die Sache war mir nicht geheuer. Irgendetwas Eigenartiges war mit mir passiert. In meinem Zimmer im Weißen Hof hörte ich mir das Band an. Es gab nicht die Stille im Raum wieder. Ich hörte leise Stimmen, konnte die Worte aber nicht verstehen. Auch das Knacken war drauf. Ich spielte das Band zurück. Ich hatte mich nicht geirrt. Es war immer dasselbe zu hören. Jemand redete, es knackte. Ich legte das Band weg. Mir war auf einmal sehr kalt. Ich zog mir einen Pullover an. Ich habe das Band nie wieder angerührt.

*

    »Es werden viele Idioten anrufen«, sagte der Techniker. Er installierte gerade die Fangschaltung bei meinem Telefon.
    »Ja«, sagte einer der Kriminalbeamten, die um den Esstisch saßen, »das kann ein bisschen anstrengend werden .« Er unterdrückte ein Gähnen.
    Es war sechs Uhr in der Früh und meine Wohnung sah aus wie eine WG von Polizisten. Ich stand in meiner Küche keine zwei Meter von ihm entfernt und hantierte weiter an der Kaffeemaschine herum. Wir brauchten eine Menge Kaffee. Die vier Leute, die mit den Vorbereitungen zur Telefonabhöraktion beschäftigt waren, hatten ihn nötig, die Kanne war dauernd leer. Im Sicherheitsbüro hatte man die Idee gehabt, einen Telefonaufruf zu starten, um neue Hinweise aus der Bevölkerung zu bekommen. Wir hatten eine Nummer in der Presse veröffentlicht, angeblich meine private, um die Anrufe direkt an mich zu leiten. Davon, dass die Polizei mithörte, war in den Zeitungen nicht die Rede. Der Hintergedanke war, den Entführer aus der Reserve zu locken. Es war so viel Zeit vergangen seit dem Tag, an dem Natascha verschwunden war, in der Öffentlichkeit war es ruhiger geworden um das Thema. Vielleicht wurde er ja übermütig und meldete sich bei mir, der Kidnapper. Die Beamten waren bedacht, in meiner Gegenwart das andere Wort nicht auszusprechen. Mord war tabu, wenn ich im Raum war.
    »Es kann schon sein, dass er sich täuschen lässt«, sinnierte der Polizist. »Wie meinen Sie das ?« , frage ich und stellte ihm seine Tasse hin. »Ich meine, er fühlt sich sicher. Bis jetzt ist er uns durch die Lappen gegangen, das gibt ihm Selbstbewusstsein. Er glaubt, dass wir ihn nie erwischen werden. Anderseits geht ihm sein Ruhm ab, er sieht sich ja als Held, der die Polizei an der Nase herumführt. Solche Typen haben einen enormen Geltungsdrang, und der muss irgendwie befriedigt werden. Mit ein bisschen Psychoterror. Er will Sie quälen und er will hören, wie Sie leiden .« Klei ne Pause. »Scheiß Sadisten«, murmelte er in sich hinein. »Die Leitung steht«, meldete der Techniker, »von uns aus kann die Falle zuschnappen .« »Noch was, Frau Sirny«, sagte ein anderer Beamter. »Ganz wichtig. Legen Sie nie gleich auf, wenn Ihnen einer blöd kommt. Wir brauchen mindestens neunzig Sekunden, bis wir ihn geortet haben, sonst wird’s nichts .« »Das Ganze funktioniert so«, assistierte ihm der Mann am Esstisch. »Wir grenzen das Rayon ein, Sie müssen sich das vorstellen wie immer kleiner werdende Kreise, die wir ziehen. Bundesland, Stadt, Bezirk, Grätzel, Häuserblock, Haus, Wohnung, Telefon. Wenn er so lang dran bleibt, wissen wir, wo er an der Strippe hängt .« Der Zweite fuhr fort: »Und im besten Fall braucht die Funkstreife dann ein paar Minuten, sagen wir einmal, drei bis vier, bis sie ihn hat .« Der dritte Polizist, der bis jetzt stumm auf der Couch gesessen war, stand auf und klatschte in die Hände. »So, Burschen, los geht’s. Jetzt heißt es: warten .« Wir warteten. Es läutete. Ich stürzte mich auf den Hörer, aber der Beamte neben mir hielt mich am Arm zurück. »Langsam«, sagte er, »der soll ruhig ein paar Sekunden zappeln .« Er ließ mich los, ich hob ab. »Sirny?« Es klang ein bisschen zittrig. »Mama«, sagte meine Tochter. »Was ist denn da

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