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Verzweifelte Jahre

Verzweifelte Jahre

Titel: Verzweifelte Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitta Sirny-Kampusch
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Jäger drei bereit. Die Einsatzkräfte des Sonderkommandos WEGA hatten ihre Maschinenpistolen im Anschlag. Sicherheitswachebeamte riegelten weiterhin das Gebiet um das Ledergeschäft im Einkaufszentrum Millennium City ab. Passanten duckten sich und flüchteten Richtung Ausgänge. Ein Hubschrauber kreiste über dem Wolkenkratzer.
    Der Mann im Geschäft bediente eine Kundschaft. Zwei andere Frauen schauten sich im Laden um, die eine ging zu einer Stellage mit Handtaschen an der Wand, die andere kramte in einer Vitrine mit Geldbörsen.
    Jäger eins, Zugriff in drei Sekunden. Jäger zwei bereit. Jäger drei bereit. Fast geräuschlos stürmten die drei WEGA-Männer in schusssicheren Westen das Geschäft. Der Einsatzleiter war schon um den Verkaufstisch herum, packte den Verdächtigen an den Schultern, drehte ihn um, stieß ihm das rechte Bein so in die Kniekehlen, dass er einknickte, riss ihm den Arm hinter den Rücken, drückte ihn zu Boden und presste ihm den rechten Ellbogen ins Kreuz und legte ihm mit einem Griff die Handschellen an. Seine Kollegen schirmten die drei Frauen ab und brachten sie in Sicherheit.
    Jäger eins, Zielperson gefasst, Aktion beendet.

*

    »Frau Sirny«, sagte der Mann vom Sicherheitsbüro. »Na, endlich!« Meine Hand am Hörer zitterte. »Schlechte Nachrichten.« »Über die Natascha?« »Nein, gar nicht, bleiben Sie ganz ruhig, es geht um den Anrufer. Wir haben ihn in Gewahrsam. Er ist es nicht. Es war nur einer von diesen Kasperln, die sich einen Scherz erlauben wollten. Einen sehr schlechten Scherz. Mit Ihnen.«
    Der Mann sei vor drei Tagen Vater geworden, erklärte mir der Beamte, und das dürfte er nicht ganz verkraftet haben. Getrunken hatte er nichts, da war offenbar schon vorher was nicht ganz im Lot bei dem. Zuerst habe er alles abgestritten, aber als die Polizei ihn auf die Tonbandaufzeichnung unseres Gespräches hinwies, habe er alles zugegeben. Er habe nicht weiter nachgedacht, es wäre ihm einfach so eingefallen. Mich wolle er anrufen, um sich bei mir zu entschuldigen.
    »Nein, bitte«, sagte ich, »der soll mich in Ruh lassen .« »Na, so glimpflich kommt er nicht davon«, sagte der Polizist. »Immerhin war die WEGA im Einsatz, das ist nicht so, wie wenn man kurz einmal die Feuerwehr ruft, weil man lustig ist, und so was wird auch schon angezeigt .« »Was geht in solchen Leuten vor ?« , fragte ich, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. »Ja«, sagte der Beamte, »so was haben wir dauernd, gute Nacht, Frau Sirny, hoffentlich können Sie schlafen .« Daran war nicht einmal zu denken. Vor ein paar Stunden sagt einer, er hat meine Tochter, wird verhaftet, sagt, das war ein Scherz, holodaro, und jetzt leg ich mich nieder. Ich kippte die Balkontür auf, es roch wie nach einer Pokernacht in meiner Wohnung. Ich rauchte die zweihundertste Zigarette seit Installierung der Fangschaltung, war auch schon egal. Bleiben Sie ganz ruhig, hatte der Sicherheitsbeamte gesagt. Wie denn? Ich hatte geglaubt, Nataschas Entführer am Telefon zu haben. So nah war sie mir gewesen. So knapp dran schienen wir an ihrer Befreiung zu sein. Und jetzt war alles ein Scherz. Es war mir, als hätte man mich in eine Hochschaubahn gesetzt und den Turbo auf Endlosbetrieb geschaltet. Hoch, tief, links, rechts. Hin- und hergeschleudert von den Launen des Schicksals. In Gestalt eines verwirrten Volltrottels, der nicht weiß, wie er seine Vaterrolle anlegen soll. Absurd alles. So absurd. Wenigstens war der Telefonwahnsinn fast vorbei. Gegen Abend hatte kaum mehr wer angerufen, so wie die Polizei vorausgesagt hatte. Ab Mitternacht sollte es so ziemlich ausgestanden sein. Heben Sie ab, halten Sie die Leute hin, haben Sie mich angewiesen, wir sind zwar nicht mehr bei Ihnen, aber wir hören weiterhin mit. Ich holte mein Bettzeug aus dem Schlafzimmer und machte es mir auf der Couch bequem. Ein paar Mal wurde ich vom Telefon aus meinen Gedanken gerissen, es war nichts Ernstzunehmendes dabei. Einmal war es überhaupt nur ein Fax. Um zwei Uhr nachts rief ein Mann an. Seine Stimme war heiser. »Ich weiß, wie du ausschaust .« »Was hat das mit Natascha zu tun ?« »Sehr viel. Ich kann dir sagen, wo sie ist .« »Aber?« »Du musst auch etwas tun für mich .« »Die Idee haben schon ein paar vor Ihnen gehabt .« »Und? Hast du ?« »Wo ist Natascha ?« »Nicht so schnell. Sag mir, was du anhast ?« »Einen graubraunen Flanellpyjama.« Er stöhnte. Aber nicht so, wie er wollte. »Okay, noch einmal von vorn«, sagte er. »Der

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