Verzwickt chaotisch
Parkour beigebracht hatte. Falls er kapiert hatte, was Parkour war. Nicht einmal meine Mutter hatte das richtig verstanden und sie war diejenige gewesen, die ihm tränenüberströmt davon erzählte, nachdem sie das Video entdeckt hatte. Trotzdem wusste er, dass es da etwas gab, was gefährlich war und ich auf keinen Fall tun sollte.
»Ich finde auch, wir sollten noch warten«, meldete Billy sich zu Wort. »Wenigstens bis nach der Klassenfahrt. Ey, Luzie, du hast uns die Fahrt erst ermöglicht, und wenn du sie uns jetzt versaust …«
»Ich versaue euch gar nichts!«, fiel ich ihm zornig ins Wort. »Ich hab euch den Hintern gerettet, indem ich nix verraten hab. Okay? Und ihr habt versprochen, dass wir es unseren Eltern sagen und …«
»… einen Heidenärger kriegen, ja«, führte Seppo meinen Gedanken gelassen zu Ende. »Also lass uns erst Spaß haben und dann Ärger kriegen. Besser als nur Ärger und gar keinen Spaß, oder? Und deine Mutter darf man auch nicht unterschätzen, Luzie.«
Ich schwieg entnervt. Verflucht, die Jungs lagen gar nicht so verkehrt. Mama brachte es fertig und verbot mir die Klassenfahrt, wenn ich ihr erzählte, was Sache gewesen war und dass Seppo mir das alles beigebracht hatte. Dann würde sie mich nicht zusammen mit den Jungs ins Landschulheim fahren lassen. Es sei denn, wir fanden einen Weg, in Sicherheit Parkour zu machen. Was sich zwar widersprach, aber …
»Wir brauchen einen Plan. Nach der Klassenfahrt müssen wir einen Plan schmieden. Es muss doch möglich sein, es unseren Eltern zu sagen und trotzdem weiterzumachen. Oder?« Ich blickte auffordernd in die Runde. Niemand erwiderte etwas. »Hast du das Reden verlernt, oder was?«, fuhr ich Serdan an. Er zuckte nur mit den Schultern.
Seppo legte mir die Hand auf den Arm und mein Magen drehte einen kleinen Salto.
»Wir überlegen uns etwas, einverstanden, Katz? Mach keinen Unsinn. Jag mir nicht ein zweites Mal so einen Schrecken ein wie vor den Ferien, ja?«
»Selbst schuld«, knurrte ich, ohne Seppo anzusehen. Er nahm seine Hand wieder weg, doch mein Arm prickelte immer noch. »Und ihr seid trotzdem Feiglinge.«
Ich schaute zu Leander hinüber, der selbstvergessen ein paar neue Breakdance-Moves einstudierte. Ob ich ihn vielleicht überreden konnte, mit mir Parkour zu machen? Nein, das war wohl aussichtslos. Dazu war er zu sehr Sky Patrol, obwohl er sicher einen fantastischen Traceur abgegeben hätte. Den besten der ganzen Stadt. Denn er konnte fliegen. Und niemand sah es. Ich seufzte schwer.
»Fährt denn noch jemand aus der 10 als Betreuer mit?«, hakte Billy bei Seppo nach. Warum eigentlich konnte ich mich nicht einmal darüber freuen – dass Seppo mitfahren würde? Was war nur mit mir los?
»Ja, Kelly. Die Austauschschülerin aus den USA.«
Kelly? Aus den USA? Etwa dieses schlanke, blonde Mädchen mit den ellenlangen Beinen, die vorhin laut lachend mit Seppo aus der Cafeteria gekommen war? Sie hatte Stiefel mit hohen Absätzen getragen und überragte Seppo um mindestens einen halben Kopf. Leander stoppte seinen Move und blickte aufmerksam zu uns herüber.
»Nicht schlecht«, grinste Billy anerkennend und spuckte auf den Boden. Also war sie es. Seppo und die neue Schul-Beautyqueen als Betreuerteam bei unserer Klassenfreizeit. Mein Tag hatte seinen absoluten Tiefpunkt erreicht.
»Na, dann macht euch noch ein bisschen in die Hosen«, sagte ich zu den Jungs und drehte mich von ihnen weg, um die andere Ecke des Hofs anzusteuern. Auf einmal wollte ich bei Sofie sein und nichts mehr hören von Parkour und Klassenfahrtbetreuern und neuen amerikanischen Superblondinen. Ich, Luzie Morgenroth, wollte lieber bei einem Mädchen stehen als in der Breakdance-Ecke bei meinen Jungs. Mir lieber Vampirgeschichten anhören und erklären, warum ich einen Aufsatz über Johnny Depp schrieb, als ein Luftblasengesicht aufzusetzen und Breakdance zu machen.
Wenn das zum Erwachsenwerden gehörte, wollte ich auf der Stelle wieder ein Kind sein.
Reisefieber
»Lass so etwas in Zukunft gefälligst bleiben!«, wies ich Leander zurecht, nachdem wir auf dem Nachhauseweg in eine der ruhigeren Gassen gelangt waren und unbehelligt miteinander sprechen konnten. Schon seit Wochen liefen wir diese Umwege, denn es gab fast immer irgendetwas, das wir zu bereden hatten. Meistens weil Leander wieder Bockmist gebaut hatte. Wie heute Vormittag. »Aufsätze schreiben – wie kommst du auf so eine bescheuerte Idee?«
Leander grinste selbstgefällig. »Gar nicht
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