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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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im Garten von Anni herumgelaufen bist. Einmal bist du sogar nackt auf die Straße gerannt, weil du dem großen grünen Traktor hinterhersehen wolltest, und es hat dich nicht gekümmert …«
    »Weil Kindern das egal ist«, setzte ich seinen Ausführungen ein jähes Ende. Es war mir gar nicht recht, dass er so was noch wusste. Schluss mit Kindheitserinnerungen. »Ich bin kein Kind mehr. Mir ist das nicht egal. Ich will nicht, dass du oder andere mich nackt sehen. Und ich will dich nicht nackt sehen müssen. In Ordnung?«
    Leanders Brauen hoben sich fragend. »Ich verstehe immer noch nicht, warum. Wenn deine Eltern in die Sauna gehen, sind sie auch nackt. Und dann ist es okay«, sagte er bockig. »Bei mir ist es nicht okay. Dabei bin ich ganz gut gelungen, finde ich.«
    Ich presste meine kalten Hände gegen die Stirn und schwieg einige Sekunden. Himmel, Arsch und Zwirn, wie sollte ich ihm das nur erklären? Und warum war das eigentlich so – warum wollten wir uns gegenseitig nicht nackt sehen? Obwohl Sofie und ich Serdan vorhin angestarrt hatten, als wäre er ein Außerirdischer? Und ich Seppos Speckansätze ins Visier genommen hatte? Alles nackte Haut. Trotzdem wollte ich die beiden nicht komplett nackt sehen.
    »Aber wenn ihr Menschen Bubu macht, dann …«, dachte Leander laut weiter.
    »Ich mache kein Bubu!«, brüllte ich und musste im gleichen Moment lachen, weil das so bescheuert klang. »Noch nicht. Und ja, dabei sind Menschen meistens nackt. Aber jetzt bin ich vierzehn und ich will Jungs nicht nackt sehen. Jedenfalls nicht untenrum und nicht, ohne vorher gefragt zu werden.«
    »Na gut«, murrte Leander. »Dann frage ich dich eben das nächste Mal.«
    »Ich werde Nein sagen«, entgegnete ich erschöpft. »Wir werden außerdem weder zusammen in die Sauna gehen noch irgendetwas anderes tun, bei dem man nackt sein muss. Merk dir das. Es gibt keinen Grund, dich in meiner Gegenwart auszuziehen.«
    »Außer beim Duschen«, erinnerte mich Leander gewissenhaft.
    »Ja. Aber da gucke ich nicht hin. Ich weiß, was passiert, und kann mich rechtzeitig zur Wand drehen. So, und jetzt will ich mich umziehen und …«
    »Moment, Luzie.« Leander griff nach meinem Handtuchzipfel, um mich zu stoppen. Ich spürte die Wärme seiner Haut und erschauerte. Mir war so kalt und Leander war eine solch vortreffliche Heizung. Aber er hatte fast nichts an. Ich musste weiterfrieren.
    »Was ist denn jetzt noch?«
    »Das mit den Kleidervorschriften und so – das hat doch alles mit eurer Liebe zu tun, oder? Denn ihr werdet erst so, wenn ihr in die Pubertät kommt. Und die Pubertät ist die Zeit, in der ihr euch das erste Mal verliebt. Dann ist es also ein Teil eurer Krankheit, dass du mich nicht nackt sehen willst? Was wieder unlogisch ist, denn gerade dann müsstet ihr euch nackt sehen wollen. Aber Krankheiten sind wohl nicht logisch.«
    »Liebe ist keine Krankheit. Das hab ich dir schon x-mal gesagt.«
    Leander lachte amüsiert auf. »Das denkt ihr Menschen. Aber ihr seht euch ja nicht, wenn ihr verliebt seid. Ihr benehmt euch absolut widersprüchlich, übertrieben und albern. Ihr macht lauter Sachen, die ihr sonst nie tun würdet. Ihr esst kaum noch und schlaft kaum noch, seid völlig unkonzentriert, baut Unfälle, versalzt euer Essen, manchmal lügt ihr auch oder unternehmt teuflisch gefährliche Dinge, um auf euch aufmerksam zu machen – wie du bei Seppo. Parkour und so.«
    »Ich hab nicht Parkour gelernt, um Seppo zu beeindrucken!«, erwiderte ich scharf.
    »Oh doch.« Leander zeigte mir grinsend sein Grübchen. »Ab und zu hast du das getan. Du hast dich fast umgebracht dabei. Und das soll keine Krankheit sein? Pah!«
    »Liebe ist etwas Schönes. Keine Krankheit«, beharrte ich leise. »Es fühlt sich toll an.«
    »Warum singt Elvis Presley dann von Fieber? Fever – I’m on fire, fever all through the night«, summte Leander und wackelte kurz mit den Hüften. Sein Handtuch geriet ins Rutschen, doch er fing es glücklicherweise im letzten Moment auf und steckte es wieder fest. »You give me fever …«
    »Hör auf zu singen! Ja, von mir aus. Kann sein, dass es sich manchmal wie Fieber anfühlt. Aber es ist ein schönes Fieber.« Ich dachte sehnsüchtig an früher zurück, als Seppo mich noch nicht verraten hatte, wir noch Parkour machten und Kelly noch in den USA war. Mir war auch warm geworden, wenn Seppo in meiner Nähe gewesen war. Meine Wangen hatten geglüht. Und Hunger hatte ich ebenfalls keinen gehabt.
    Jetzt lastete nur noch

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