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Verzwickt chaotisch

Verzwickt chaotisch

Titel: Verzwickt chaotisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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ein kalter, wütender Kloß in meinem Bauch, sobald Seppo mir zu nahe kam. Und gleichzeitig wollte ich Kelly die Augen auskratzen, wenn sie ihn bewundernd anstrahlte und er zurückstrahlte. Gerade eben hatte ich ihr einen weiteren Grund verschafft, Seppo anzuhimmeln. Er hatte sie gerettet. Ich war so doof. Nein, nicht ich. Leander war doof. Doch der war sich keiner Schuld bewusst, sondern setzte zu neuen Schlussfolgerungen an.
    »Tja. Pech für mich. Dann werde ich wohl nie merken, ob ich verliebt bin oder nicht. Ich hab immer Fieber.« Er strich sich gedankenverloren über seine nackte Brust. Seine Kettenanhänger klirrten melodisch. »Woran merkt man denn sonst noch, dass man verliebt ist?«
    Ich schwieg erneut. Ja, woher wusste man das so genau? War Seppo schon dabei, sich in Kelly zu verlieben – und wie fühlte er sich dabei? Ich seufzte zitternd auf. Ich konnte nicht nachdenken, wenn ich so fror wie jetzt. Ohne mich anzusehen, zog Leander das Handtuch von meinem Rücken, hängte es sich eine Weile über die Schultern und gab es mir wieder zurück. Es war angenehm warm geworden. Dankbar schmiegte ich es gegen meinen kalten Leib.
    »Ich glaube, man merkt es erst so richtig, wenn man einen Jungen küsst und dabei ein gutes Gefühl im Bauch hat«, murmelte ich wie zu mir selbst. Ich hatte noch nie einen Jungen geküsst. Ich hatte eine Menge Abenteuer mit Jungs erlebt. Ich war täglich mit Jungs zusammen. Aber noch nie war einer von ihnen auf die Idee gekommen, mich zu küssen. Klar, Seppo hatte mir schon mal einen oder zwei Schmatzer auf die Wange gegeben. Und wenn Vitus nicht gewesen wäre, hätte er mich beim Fastnachtsball vielleicht sogar auf den Mund geküsst. Vielleicht. Allerdings hatte er nach Knoblauch gerochen. Und ich hätte lieber einen ersten Kuss ohne Knoblauch.
    »Ja, es muss wohl so sein. Man merkt es beim Küssen. Ob es stimmt. Ob man tatsächlich verliebt ist«, bekräftigte ich. Musste ich Seppo also küssen, um es zu wissen? Dann hatte ich heute Abend eine gute Gelegenheit, das herauszufinden. Flaschendrehen. Ich wollte nur Pflicht nehmen. Nicht Wahrheit. Möglicherweise würde mich jemand dazu zwingen, Seppo zu küssen.
    Wie aus dem Nebel schaute ich zu Leander hoch, dessen Augen an meinen Lippen hingen. Doch sein Blick war zweifelnd. Irritiert schüttelte er den Kopf. »Man weiß es also erst, wenn man den anderen küsst. Und vorher fühlt man gar nichts? Man muss erst küssen?«
    Aber ich hatte mich schon umgedreht, ließ Leander stehen und marschierte zur Burg zurück. Ich war in Gedanken bei heute Abend. Wenn jetzt auffiel, dass ich wieder abwesend war, würde es doppelten Ärger geben. Herr Rübsam würde sich noch stärker an meine Fersen heften, als er es ohnehin schon tat. Dann konnten wir das heimliche Treffen bei den Jungs vergessen.
    Und ich hatte sowieso etwas gutzumachen. Kellys Beinaheertrinken. Ich musste mich sofort entschuldigen, bei allen Beteiligten. Auch bei Seppo.
    Nicht weil es mir leidtat. Sondern weil ich ihn heute Abend endlich küssen wollte.

Wahrheit oder Pflicht
    »Also echt, Luzie. Das war vielleicht eine Szene …« Sofie blickte mich von der Seite an, als könne sie sich nicht entscheiden, ob sie mich bewundern oder sich vor mir fürchten sollte. Herr Rübsam saß in sich zusammengesunken auf dem Burghofmäuerchen und raufte sich seine wenigen Haare. Er hatte erst Frau Dangel gebeten, uns alleine zu lassen – sie schrie nur schrill herum und redete davon, mich auf der Stelle nach Hause zu schicken, was Herr Rübsam jedoch nicht wollte (vermutlich weil er dann meine Mutter sehen würde) –, und dann Sofie zu uns geholt. Er hoffte bestimmt, sie könne ihm erklären, was in mich gefahren war.
    Und was tat sie? Plauderte unverblümt aus, dass ich in Seppo verknallt und wahrscheinlich eifersüchtig gewesen sei. Auf Kelly. Mein »Stimmt nicht« und »Bin nicht eifersüchtig« hörte Herr Rübsam gar nicht mehr. Seit dem Wörtchen »verknallt« war er nur noch damit beschäftigt, sich die Haare auszureißen und ab und zu bekümmert vor sich hin zu jammern.
    »Ich wollte Kelly nichts tun«, sagte ich laut in Herrn Rübsams Seufzen hinein.
    »Himmel Herrgott, Luzie, das weiß ich doch!«, stöhnte er auf. »Aber du musst lernen, dein Temperament zu zügeln! Denn du hättest sie damit beinahe umgebracht. Versehentlich.«
    »Hab ich nicht. Sie musste nicht mal Wasser spucken.« Im Gegensatz zu Kelly war ich nämlich schon zwei Mal beinahe ertrunken – einmal in einem

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