Veyron Swift und das Juwel des Feuers
Womöglich wird Euch alles abverlangt werden, all Eure Kraft, all Euer Mut und vielleicht noch mehr. Wollt Ihr dieses Geschenk immer noch annehmen?«
Tamara sah die Rüstung lange an. Sie begriff, dass die Königin von einem Kampf sprach. Womöglich würde sie dabei den Tod finden, doch wenn sie andere damit retten konnte, erschien ihr das den Preis wert zu sein. Erst recht, wenn es der Verteidigung dieses wundervollen Landes und seines noch erstaunlicheren Volkes diente. Da war plötzlich eine neue Kraft in ihr, eine Aussicht auf Licht und frische Luft in der Düsternis der schwarzen Höhle, in der sie seit langem schon feststeckte.
»Ja, das will ich – egal was kommt! «
Vollmondstunde
Die Nacht kam schnell und war sternenklar. Der Mond stand hoch am Himmel, sandte sein silbernes Licht hinunter auf die Hausdächer Faniennas. Veyron und Tom traten aus dem Hinterausgang des Palastes und marschierten einen schmalen, gepflasterten Weg entlang. Er führte auf geradem Weg hinaus an die Spitze der äußersten Klippe. Dort lag eine kreisrunde Terrasse, die von einer Gruppe Statuen umrahmt wurde. Efeu und Wein hatten sie zum Großteil übergewuchert, selbst über das Pflaster rankten sich schon ihre Schlingen. Am Ende der Klippe stand eine kleine, steinerne Brüstung, dahinter fiel der Boden dreihundert Meter senkrecht in die Tiefe.
Als die beiden eintrafen, waren die anderen Gäste bereits anwesend. Nagamoto trug nicht mehr länger einen maßgeschneiderten Anzug, sondern einen erdbraunen Kimono, das mit grünen Juwelen beschlagene Katana steckte nun offen und für alle sichtbar im Gürtel. Tamara war dagegen in den dunkelgrünen Hosen, Tunika und Stiefel der Elbenjäger erschienen. Königin Girian brachte zu der Versammlung ansonsten noch zwei Dienerinnen und ihren obersten Jäger, Faeringel, mit.
Die Königin hatte drei Bänke und einen Stuhl aus Holz aufstellen lassen. Sie bat ihre Gäste Platz zu nehmen. Tamara und Nagamoto teilten sich die Bank ganz rechts, Veyron und Tom nahmen die in der Mitte, Girians Dienerinnen die dritte Bank. Die Königin setzte sich in den Stuhl, nur Faeringel bevorzugte es stehenzubleiben.
»Wir sind also vollzählig«, stellte die Königin fest. »Ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid. Jetzt ist die Vollmondstunde, an der einige Geheimnisse gelüftet werden sollen. Meister Veyron ist auf der Suche nach dem Juwel des Feuers, um es vor dem Hexenmeister Nemesis zu finden. Wir wollen heute sehen, wie viel Hilfe wir ihm bieten können.«
Sie streckte die Hand in Toms Richtung aus.
»Fangen wir also an. Du darfst mir den Brief des Professors nun geben, Tom.«
Tom griff in seine Jackentasche. Sofort hatte er den Briefumschlag in der Hand. Er trat nach vorne und reichte ihn der Königin. Girian lächelte ihm dankbar zu, öffnete den Umschlag, holte das scheinbar leere Blatt heraus und faltete es sorgfältig auseinander. Girian hauchte den Brief zweimal an. Tom konnte sehen, wie sich silberner Staub vom Papier löste. Er wirbelte deutlich sichtbar herum, sammelte sich und formte mitten in der Luft geschwungene Buchstaben, Worte und Sätze. Tom staunte nicht schlecht, auch Tamara und Veyron weiteten überrascht die Augen.
Verehrte Königin,
liebste Girian
Leider bin ich nicht in der Lage, mehr über die Bedrohung zu berichten, der wir alle gegenüber stehen. Ich habe versucht, das Juwel des Feuers ausfindig zu machen, doch ich bin gescheitert. Ich versprach Tatsuya neue wichtige Erkenntnisse, doch jetzt komme ich nicht mehr dazu. Ich weiß nicht, wer er ist und woher unser Feind die dunklen Kräfte erlernt hat. Er besitzt – so wie wir – die Simarell, jedoch nutzt er sie wie einst der Dunkle Meister. Ich habe herausgefunden, dass er hinter dem Niarnin her ist. Wozu er ihn benutzen will, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Er stellt Nachforschungen über die Fünfzehn an und ich fürchte, er ist uns allen einen Schritt voraus. Mein Leben endet bald, ich spüre schon seine unheilvollen Schritte im Hof. Er wird hier eindringen, glaubt, ich hätte all seine Machenschaften durchschaut, doch leider ist dem nicht so. Meine liebe Assistentin musste deswegen schon unschuldig ihr Leben lassen. Einen Kampf gegen ihn kann ich nicht gewinnen. Mein Körper ist alt und schwach, er dagegen besitzt die volle Kraft der Jugend. Mein Tod kommt unausweichlich, darum werde ich versuchen ihn abzulenken und auf die falsche Spur zu führen. Vielleicht erkauft uns das die Zeit die wir
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