Veyron Swift und das Juwel des Feuers
Gamaschen, aufgeplusterte Kleider und gepuderte Perücken in allen Farben des Regenbogens, während die Zwerge eleganter und moderner daherkamen. Viele hatten sich die Bärte sorgfältig stutzen lassen, trugen Zylinder oder Melonen, die Damen breitkrempige Hüte mit goldenen oder silbernen Broschen an der Stirnseite.
Schließlich gab es da noch die vielen Automobile. Wenn sie nicht gerade um die Stände standen oder spazieren gingen, schienen die Bewohner dieser Insel nahezu jeden Meter mit dem Auto zurückzulegen. Überall in der Hafenstadt war das Geräusch schnaufender Motoren zu hören. Doch die Autos von Talassair waren nicht mit denen der Menschenwelt zu vergleichen. Genau wie die Menschen stammten sie alle aus einer früheren Epoche. Es waren Oldtimer, klapprig und fast zerbrechlich wirkend, mehr oder weniger nichts anderes als motorisierte Pferdekutschen, kaum schneller als ein Fahrradfahrer. Dennoch schützten sich die Fahrer mit Pilotenbrillen gegen den lächerlich geringen Fahrtwind. Tom konnte beobachten, wie ein menschliches Pärchen vom Hexenbesenstand in eines dieser obskuren Fahrzeuge stieg, den Gashebel betätigte und losfuhr; nur um fünf Meter später wieder stehenzubleiben und bei einem Bücherstand auszusteigen. Das machte fast jeder, der hier mit seinem Auto unterwegs war. Einmal schob Sir Cedric die drei staunenden Besucher aus dem Weg, als einer der Oldtimer direkt auf sie zuhielt. Der zwergische Fahrer, der kaum über das Lenkrad hinweg sehen konnte, beschimpfte sie in der rauen Zwergensprache.
»Keschkui kalkassar urwini belikar!«
»Passt auf, Mylady und Mylords«, warnte Cedric sie. »Nach dem Straßenrecht des Königs trägt jeder unachtsame Fußgänger bei Unfällen selbst die Schuld, Automobile haben immer Vorfahrt. Ich würde meinen Posten verlieren, wenn Euch auf dem Weg zum Palast etwas zustieße!«
Tamara schüttelte den Kopf.
»Diese ganze Insel ist verrück«, murrte sie verständnislos. »Wie kann ein gebildeter Mann nur solche hirnverbrannten Gesetze erlassen? Sieht er denn nicht, was hier los ist? Diese ganze Zivilisation ist komplett durchgeknallt! Hier sollen wir wirklich das Juwel des Feuers finden?«
Veyron lachte plötzlich, laut und herzlich. Tom war verblüfft, so ein erfrischendes Lachen hatte er noch nie von ihm vernommen.
»Tamara, Tamara, Tamara. Ich sehe schon, Sie wissen von Mr. Floyd Ramer rein gar nichts; abgesehen von seinem Ruf als Partykönig und Milliardenerbe. Wie kommen Sie darauf, er könnte ein gebildeter Mensch sein, der obendrein auch noch vernünftig wäre?«
Eine gepflasterte Straße führte aus der Hafenstadt hinaus, dort wartete ein Rolls-Royce Phantom auf sie, ein funkelnagelneues Modell. Der Kontrast zu seinem Fahrer, Sir Cedric, war geradezu grotesk. Das Fahrzeug selbst besaß vergoldete Außenspiegel, Radkappen und eine goldene Kühlerfigur. Sie stiegen ein und Sir Cedric startete fachmännisch und blitzschnell den Motor.
»Ist das stark! Pures Gold«, meinte Tom und lachte. »Was ist das nur für ein seltsamer König?«
»Du wirst ihn bald kennenlernen. Ich fürchte, dass Floyd, der schon immer einen Hang zum Extravaganten besaß, hier in Elderwelt seine Marotten und Leidenschaften ungebremst ausleben kann. Sieh dir nur dieses bunte Mischmasch aller möglichen Epochen an. Floyd und seine Väter haben hier keine homogene technologische Gesellschaft geschaffen, sondern ihren persönlichen Circus, ausgewählt nach ihren Vorlieben und Geschmäckern, Logik und Notwendigkeit vollkommen ignorierend. Nur allein der unglaubliche Reichtum der Ramers, die Loyalität der Zwerge und die technische Überlegenheit Talassairs gegenüber allen anderen Menschenreichen Elderwelts bewahrt hier alles vor dem Untergang«, erklärte Veyron in seiner üblichen kaltherzigen Ernsthaftigkeit.
Die Fahrt ging über eine recht holprige Pflasterstraße quer durch die Ländereien von Talassair. Sie sahen einige Dörfer am Rande der Straße oder auf entfernen Hügeln. Tom kam nicht darum herum, sich an den Süden Englands erinnert zu fühlen. Die Häuser bestanden zumeist aus rötlichem Backstein, mit steilen Satteldächern und gemauerten Kaminen. Nicht selten grenzten kleine Mauern die Grundstücke ein. Größere Städte schien es auf Talassair nicht zu geben, zumindest kamen sie an keinem Ort vorbei, den Tom als Stadt empfunden hätte. Er fragte Sir Cedric danach, der erklärte jedoch, dass die Hauptstadt auf der anderen Seite der Insel lag.
»Doch dort
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