Video-Kid
keine Grenze gesetzt. Diejenigen, die dem rechten Pfad folgen, können unbegrenzt leben, denn sie haben ihr Leben Gott geweiht.
Deren Leben ist gesund, denn sie haben es an einem wunderbaren Ziel ausgerichtet, dem wunderbarsten aller Ziele: Sie tun Gutes. Sie tun nur Gutes und meiden die Pfade des selbstmörderischen Bösen: Haß, Neid, Gier, Luxusstreben und Faulheit. Die Versuchungen des Fleisches. Sie meiden diese Dinge und noch mehr, und sie richten ihr Augenmerk auf das Erhabene.« Sanktanna sah mit frommem Blick in den Himmel. »Das ist auch der Grund dafür, daß unser Glaube sich ausbreitet und immer neue Anhänger findet, langsam zwar, aber stetig. Nun sind schon über eine Million Männer und Frauen in der Familie unserer Kirche. Wir sind auf Niwlind zu einem Machtfaktor geworden.«
»Wie hoch ist eigentlich gegenwärtig die Bevölkerungszahl von Niwlind?« fragte ich. »Sechs Milliarden oder mehr?«
»Sechskommazwei Milliarden«, sagte sie. »Aber unsere Million setzt sich aus den besten Niwlindern zusammen, und auch der Rest wird beizeiten das Licht sehen.«
Moses Moses war überrascht. »So viele Menschen leben heute dort? Wie konnte es nur zu einer solchen Überbevölkerung kommen? Als ich den Planeten verließ, lebten dort nur drei Milliarden.«
»Die Gesetze zur Bevölkerungsplanung wurden gelockert«, sagte Anna. »Seitdem treibt es jeder mit jedem. Die Menschen wollen Kinder, das ist einer ihrer Grundwünsche. Ich selbst ... Nun, ich hatte auch einmal vor, Kinder zu bekommen. Aber dafür ist es nun natürlich zu spät.«
»Wirklich?« fragte ich interessiert. »Hattest du eine künstliche Befruchtung ins Auge gefaßt, oder wolltest du dich den verschwitzten, fleischigen Umarmungen eines Mannes hingeben?«
Anna sah mich kühl an. »Die Ehe ist ein Sakrament; eine Vereinigung der Seelen. Die Heirat in der Kirche übersteigt die fleischlichen Gelüste.« Als ich skeptisch nickte, verzog sie das Gesicht. »Ich habe nicht erwartet, daß du das verstehen könntest. Offensichtlich übersteigt die Reinheit der Kirche dein Auffassungsvermögen.«
Ich wurde langsam wirklich ärgerlich. »Ich gebe nicht vor, etwas vom Sex zu verstehen, aber ich weiß sehr gut, Heuchelei zu erkennen, wenn ich auf sie treffe.«
»Das überrascht mich nicht«, sagte sie mit schneidender Schärfe. »Du behauptest, Tanglins junger Sohn zu sein, wo du doch in Wahrheit geistig so viel mehr gealtert bist. Offensichtlich kennst du dich mit der Heuchelei aus.«
»Jetzt paß einmal auf, du hirnverbrannte Idiotin ...« begann ich, aber Moses Moses unterbrach mich. »Bitte, Kinder«, sagte er beruhigend, »wir wollen uns doch nicht streiten. Meine letzten Stunden sind angebrochen. Ich möchte sie in Frieden verbringen. Du bekommst später deine Chance, dich zu erklären, Kid. Nun laß Anna auch die ihre haben.«
Mein Ärger verflog. »Natürlich, du hast recht«, sagte ich. »Fahre fort, Anna.« Ich erfreute mich im stillen an dem Gedanken, daß sie bald die ganze Wahrheit über Tanglin und die besondere Beziehung zwischen uns beiden erfahren würde.
»Das Hochland von Niwlind gehört zu den ältesten Gebieten dieses Planeten«, fuhr Anna fort. »Das Hochland ist eigentlich ein hochgelegenes Plateau. Die Luft dort ist dünn, und es ist da windig und kalt, besonders im Winter. Auf dem Plateau haben nie sehr viele Menschen gelebt. Auch heute verirren sich dorthin bloß die Arbeiter einiger Bergwerksgesellschaften. Aber auf diesem Plateau hat die Mysteriarchin den Hochaltar unserer Kirche gebaut. Und dort wurde ich vor zweiundfünfzig Jahren geboren.
Nur die Eingeweihten kennen den Hochaltar in seiner ganzen Ausdehnung. Zufällige Besucher sehen lediglich Kuppeln und Kirchen, die sich an einen Felshang schmiegen. Manchmal tauchen unter den Niwlindern Gerüchte über endlose Tunnel im Fels auf. Aber sie wissen nicht, wie gewaltig die Tunnelanlage ist, und nicht alle Gänge wurden von Menschenhand gebaut.
Das Plateau selbst ist karg, nur Gras wächst dort. Wir sind in die Täler gezogen: tiefe Schluchten, die das Wasser vor Millionen Jahren ins Hochland gegraben hat. Der Plateaufels ist der eigentliche Kontinentalschild. Man findet in ihm weder Sedimente noch eine bunte Schichtung. Der Fels ist nur schwarz und grau und ganz selten einmal dunkelrot. Die Canyons sind einige hundert Meter tief und manchmal einige Kilometer breit. Die Flüsse winden sich durch die Täler und werden hier und da von Gesteinsschutt und Geröll blockiert.
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