Viel Laerm um Stratfield
Geheimgänge in dem Haus geben könnte, als Dominic ihr gezeigt hatte.
Die logische Wahl dafür wäre die Bibliothek, wo ein Mann stundenlang unbeobachtet allein sein konnte. Die Tür stand bereits offen. Der Raum roch angenehm nach Brandy und alten, ledergebundenen Büchern. Es war ein anheimelnder Zufluchtsort. Die schweren Vorhänge waren geschlossen, um das Tageslicht auszuschließen.
Auf dem Boden lagen Papiere verstreut. Ein Stuhl war umgefallen, als hätte es ein Handgemenge gegeben.
„Dominic?", fragte sie leise. „Finley, sind Sie hier drin?"
„Such sie", befahl sie und umklammerte den Schürhaken mit den behandschuhten Händen.
Nicht der Kamin, dachte sie. Der Hund ging geradewegs am Kamin vorbei, ohne stehen zu bleiben. Sie beobachtete, wie er direkt auf ein Eckregal zuging und dann verschwand.
Das Paneel stand weit offen. Sie folgte dem Hund in die dunkle Öffnung, alle Sinne in Alarmbereitschaft.
„Dominic?", flüsterte sie und blickte in die stickige schwarze Leere.
Eine raue, schwielige Hand schloss sich um ihren Knöchel. Sie schrie auf und fiel mit dem Schürhaken nach vorne, bis sie sich die Schulter an einem Balken stieß und ihr Gleichgewicht wieder fand.
Ares heulte jammervoll in den Schatten. Unter ihr, am unteren Ende von drei hölzernen Stufen, stöhnte ein Mann. Sie ließ sich auf die Knie herunter und zog das Halstuch aus seinem Mund, mit dem er geknebelt worden war.
„Finley", rief sie entsetzt, als er sein ramponiertes Gesicht zu ihr umwandte. „Was ist passiert? Wo ist Lord Stratfield?"
„Mein Messer ist dort drüben in der Ecke. Schneiden Sie meine Hände und Füße frei, damit ich Ihnen helfen kann. Sir Edgar hat mich dabei entdeckt, wie ich herumgeschnüffelt habe, und hat mich überrascht. Das wird nicht noch einmal passieren."
Sie stieg die Treppe herunter und tastete in dem Schmutz nach seinem Messer. „Wo ist Lord Stratfield?"
„In den Schmugglerhöhlen. Ich saß hier hilflos herum und hörte seine Bewegungen. Beeilen Sie sich, Lady Chloe. Schneiden Sie fester. Sie tun mir schon nicht weh."
25. Kapitel
Die beiden Männer, Onkel und Neffe, umkreisten einander in der Dunkelheit. Beide verließen sich auf ihre Intuition, ihre Ausbildung und ihren Überlebensinstinkt. Mehr als eine Dekade war vergangen, seit sie im Fechtsaal gegeneinander gekämpft und sie zu ihrem Vergnügen gemeinsam Raufbolde durch die Straßen von Soho gejagt hatten. Die Regeln des korrekten Fechtsports spielten dieses Mal keine Rolle, sie fochten, indem sie sich nur auf ihre Reflexe und ihre Körperkraft verließen. Früher hatte Dominic versucht, seinen Onkel mit seinen Fähigkeiten zu beeindrucken, in der Hoffnung, sich bis zum Ende einer Lehrstunde ein Wort des Lobes oder einen Trinkspruch zu verdienen.
Jetzt kämpfte er mit nur einem Ziel und mit einem Feuer, das in seinem Herzen loderte. Er wollte den Mann herausfordern, den er bewundert hatte und der ihre Blutsbande auf die kaltherzigste Art verraten hatte, die man sich nur vorstellen konnte.
Den Augenblick, in dem sein Onkel anfing, unvorsichtig und müde zu werden, spürte er eher, als dass er ihn sah. Edgar hatte mit einer Bewegung angegriffen, die als der letzte Stoß bekannt war, und Dominic hatte das vorausgeahnt und sein Heft geschickt nach rechts gedreht, um sich zu schützen.
„Nicht schlecht, Dominic", murmelte Edgar, „aber ich muss doch fragen, ob das alles ist, was du auf Lager hast?"
Seine Klinge kam wie aus dem Nichts und schnitt ein dünnes Stückchen Haut von Dominics Kehle. Die dicke Schicht Spitze von dem Straßenräuberkostüm verhinderte wahrscheinlich, dass er tiefer traf.
Zumindest lenkte der Stoß den Colonel lange genug ab, um Dominic Gelegenheit zu geben, sich in die Position für seinen eigenen letzten Stoß zu begeben. Er ignorierte das Blut, das in einem warmen Rinnsal seinen Hals herunterlief.
Ohne Gnade schritt er vor, den Oberkörper zum Sprung geduckt. Jetzt konnte er die Verzweiflung seines Gegners spüren, seine Erkenntnis, dass er besiegt war.
„Du warst schon immer mein Liebling, Dominic", sagte der Colonel. Sein Atem kam unregelmäßig.
„Deine Zuneigung hat mich in die Hölle geschickt."
„Es ist nicht zu spät ... "
Dominic zögerte nicht. Mit dem linken Fuß zuvorderst griff er an. Er spürte, wie seine Klinge Haut, Muskeln und Sehnen von Edgars Schulter durchstach, hörte den hilflosen Fluch, der seinem Onkel entfuhr. Es war kein tödlicher Treffer, aber er würde Edgar
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