Viel Trubel um Sam
lag ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht.
“Geschafft!”, schrie sie in den bewölkten Himmel. Endlich hatte sie einmal den Mut aufgebracht, ihren Professor infrage zu stellen. Wenn schon ein paar Tage mit Sam sie derart veränderten, was konnte dann erst ein ganzes Leben mit ihm bewirken?
4. KAPITEL
F allstudie – Sam Stevenson
Beobachtung vom 2. Dezember
Proband arbeitet weiterhin seine vom Gericht verordneten Sozialstunden als Weihnachtsmann im Kaufhaus Carmichael’s ab. Er macht seine Arbeit gut, ist immer freundlich und geduldig, auch bei kleineren Zwischenfällen, wie zum Beispiel ein Dreijähriger, der unverhofft auf das Knie des Weihnachtsmannes pinkelt, oder eine aufmüpfige Elfe, die vergessen hat, einen Film in die Kamera zu legen, woraufhin der Weihnachtsmann alle Aufnahmen wiederholen muss.
In ihren Notizen erwähnte Edie nicht, dass
sie
die fragliche Elfe war. Sie klappte das Notizbuch zu, schloss ihren Füller und steckte beides in ihre Tasche.
Sie saß bei laufendem Motor in ihrem Auto vor dem Kaufhaus und wartete auf Sam. In der Hoffnung, ihn abfangen zu können, war sie vor ihm, ohne sich umzuziehen, zum Wagen geeilt.
Ihr Herz schlug schon wieder in diesem seltsamen Rhythmus, der sie an Rumba erinnerte.
Was, wenn Sam merkte, dass sie ihn verfolgte? Und wo würde er nach der Arbeit wohl hingehen? Was sollte sie tun, sobald er dort angekommen war? Die Fragen kreisten in ihrem Kopf wie hungrige Aasgeier auf der Suche nach etwas Essbarem.
Als Sam aus dem Kaufhaus kam, sah er wahnsinnig gut aus. Er trug enge Jeans, die seinen fantastischen Hintern vorteilhaft betonten, schwarze Schuhe und eine Baseballjacke.
Bestürzt stellte Edie fest, dass er nicht alleine war. Joe Dawson lief neben ihm, die beiden unterhielten sich angeregt.
Was hatte Sam mit Joe zu tun? Nicht, dass sie etwas gegen Joe hatte. Er war ein netter Kerl, solange er nicht trank. Edie hatte ihn während eines Praktikums im Hazelwood Treatment Center kennengelernt. Er hatte wegen Unterschlagung im Gefängnis gesessen hatte, war aber fest entschlossen, sein Leben zu ändern. Ein erster Schritt war sein Job in der Buchhaltung von Carmichael’s.
Nichtsdestotrotz wusste Edie, dass Joe noch immer ganz nah am Abgrund stand, zu nah, um sich mit den falschen Leuten einzulassen.
Mit Leuten wie Sam?
Besorgt zerrte sich Edie den Elfenhut vom Kopf und pfefferte ihn in eine Ecke. Sie beobachtete, wie die beiden Männer in Joes Auto stiegen.
Joe startete den Motor. Edie legte den Gang ein und folgte ihnen in ihrem guten alten Toyota.
Nach ein paar Metern bog Joe nach links ab und steuerte direkt auf ein Einkaufszentrum zu, in dem es einen Spirituosenladen, eine Drogerie, einen Friseur, eine Versicherungsagentur und einen Blumenladen gab.
Bitte, geht nicht in den Spirituosenladen, flehte sie im Stillen.
Edie hatte in ihrem ganzen Leben nie einen Tropfen Alkohol angerührt. Sie hatte nichts gegen Leute, die sich gelegentlich einen Drink genehmigten. Bei den meisten war das auch in Ordnung. Aber nicht bei Joe Dawson.
Und bei Sam?
Edies Magen krampfte sich zusammen.
Joe parkte vor der Drogerie. Edie seufzte erleichtert auf, fragte sich dann aber sofort, was sie dort wohl kaufen wollten, und beschloss, ihnen zu folgen.
Die beiden Männer stiegen aus.
Edie parkte in sicherem Abstand und beobachtete, wie sie in der Drogerie verschwanden.
Solange sie im Wagen sitzen blieb, konnte sie nichts herausfinden. Andererseits, was sollte sie tun, wenn die beiden sie erwischten?
Na und? Das hier war ein freies Land. Sie schuldete niemandem eine Erklärung. Sie hatte doch wohl das Recht, in dieser Drogerie einzukaufen.
Edie stieg aus und eilte in den Laden.
Die Hitze in dem überfüllten Raum war überwältigend. Vorsichtig spähte sie in einen Gang, dann in den nächsten.
Kein Joe. Kein Sam.
Mist.
Sie marschierte an den Verbandskästen vorbei, dann an den Kosmetikartikeln und Seifen. Ein paar grauhaarige Damen diskutierten darüber, welches die vorteilhafteste Farbe von Miss Clairol war. Und eine Gruppe Schulmädchen in Uniform kicherte über die neunhundert verschiedenen Aknemittelchen.
Dann endlich erblickte sie Sam, der vor dem Schalter für Arzneimittel stand. Hastig blieb sie stehen und wandte ihm den Rücken zu. Dann lief sie mit eingezogenem Kopf rückwärts durch den Gang, Schritt für Schritt, bis sie nur noch wenige Meter von ihm entfernt war. Zum Glück konnte sie sich hinter einer großen Pappfigur verstecken, auf der
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