Viel zu lange her
auf der Straße gefunden haben”, bemerkte Isaac bitter.
Rosalind stellte die Tasse weg. „Das ist nicht die richtige Gelegenheit für deinen seltsamen Humor”, erwiderte sie gereizt. „Es muss gehandelt werden. Tessas Hochzeit hängt nun weitgehend von deiner Hilfsbereitschaft ab, Isaac.” Rosalind gab ihm keine Gelegenheit zu antworten und stand auf. „Ich muss zum Floristen. Mrs. Pierce, meine Haushaltshilfe, kümmert sich um alles in der Küche. Ich komme gegen zehn wieder. Nachdem du Tessa zur Arbeit gebracht hast, warte auf mich, Isaac.” Damit zog Rosalind sich ins Haus zurück.
Isaac sah ihr zornig nach und salutierte.
„Du musst nicht…”, begann Tessa.
„Ich weiß, dass ich nichts muss!” unterbrach er sie scharf und lächelte gleich darauf bedauernd.
„Aber schließlich ergibt sich nicht jeden Tag die Gelegenheit, deine Hochzeit zu retten.”
Sie wollte unbekümmert lachen, doch es hörte sich ziemlich kläglich an.
„Mein Tag ist somit verplant.” Isaac lehnte sich betont lässig zurück. „Wie sieht es mit dir aus?”
„Es ist der letzte Schultag”, erwiderte sie und wunderte sich über sein Interesse. „Ich plane jedes Mal für die Kinder etwas Lustiges, damit sie die Ferien wenigstens fröhlich beginnen.”
„Dann sind ihre Ferien nicht sonderlich schön?”
„Nein.” Tessa seufzte. „Die meisten Kinder finden daheim alles andere als ideale Bedingungen vor. Die einen müssen hungern, andere werden misshandelt. Fast alle werden in der einen oder anderen Hinsicht vernachlässigt.”
Er schüttelte den Kopf. „Und was hast du dir für heute ausgedacht?”
„Es bringt gar nichts, wenn man sie gelegentlich verwöhnt. Darum veranstalten wir eine Schatzsuche. Ich verstecke kleine Überraschungen, die ich selbst gesammelt habe. Dazu gehören die schokoladenbraunen Samenschalen der Moreton-Bay-Kastanien, schöne Muscheln oder silbern angestrichene Tannenzapfen.” Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Alles, was dir als Junge gefallen hat.”
Sein leerer Gesichtsausdruck traf sie.
„Tut mir Leid, Isaac, ich wollte keine schlimmen Erinnerungen wecken. Ich weiß, dass du es als Kind schwer hattest. Aber durch das Zusammenleben mit dir habe ich gelernt, mit diesen Kindern richtig umzugehen.”
Er starrte gedankenverloren an ihr vorbei, schüttelte dann den Kopf und richtete den Blick wieder auf sie.
„Schatzsuche hört sich gut an”, bemerkte er. „Hoffentlich hast du einen schönen Tag.”
„Danke. Wir sollten aufbrechen. Ich muss noch den Schatz verstecken, bevor die Kinder kommen.”
„Du hast wieder nichts gegessen.”
„Tatsächlich?” Sie war so nervös, dass ihr das gar nicht aufgefallen war.
Isaac nahm einen roten Apfel aus der Obstschale und warf ihn ihr zu. Als sie ihre Sachen holte, rief er ihr nach: „Vergiss nicht, ihn auch zu essen!”
Zum Glück gelang es Tessa, sich ständig zu beschäftigen. Am Nachmittag sah sie zu, wie ihre Schüler sich begeistert an der Schatzsuche beteiligten.
Vom Sozialamt der Stadt hatte sie einen beunruhigenden Anruf erhalten. Der Aufkauf von Grund und Boden, auf dem auch die Vorschule stand, schien erfolgreich zu laufen. Allerdings war der Verdacht auf unlautere Methoden aufgetaucht. Die entsprechenden Hinweise kamen in einer Anhörung vor Gericht zu Tage, bei der aufgezeigt wurde, dass viele Grundstücksgeschäfte in South Townsville mit illegalen Praktiken in Zusammenhang standen.
Nach der gegenwärtigen Lage hatte Tessa keine Ahnung, ob es die Vorschule überhaupt noch gab, wenn sie aus den Flitterwochen zurückkam. Sie ließ den Blick über den weitgehend kahlen Garten hinter dem Gebäude schweifen. Er mochte hässlich sein, doch er war von Freudenschreien und Lachen erfüllt. Es schmerzte sie, dass die Kinder womöglich diesen Zufluchtsort verlieren würden.
„Miss Tessa, Miss Tessa, ich habe was gefunden! Ich habe einen Schatz gefunden!” Gregory kam mit einer rosa und weißen Muschel, die er vorsichtig in den Händen hielt, zu ihr gelaufen. „Er war im Sandkasten vergraben!” rief er aufgeregt.
„Wie schön, Gregory.” Lachend strich Tessa ihm über die roten Locken, ehe er wieder weglief.
Ein angenehm kühler Windhauch vom nahen Ross River strich über den Hof. Zum ersten Mal seit Stunden hatte Tessa einige Minuten für sich allein, und prompt tauchten unerwünschte Gedanken auf.
Hätte sie Isaac doch das Geschenk nicht zurückgegeben! Lydia hatte es ein Liebespfand gena nnt. Was für
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