Viel zu lange her
kommst sehr spät”, sagte er gereizt.
„Sie haben einen Fehler bei der Maniküre gemacht”, erwiderte sie eine Spur zu schnell.
„Darum mussten sie noch einmal anfangen. Du hast keine Ahnung, wie lange es mit diesen vielen Schichten dauert.”
Er betrachtete sie zweifelnd. Tessa fürchtete, dass ihre Mutter im Schönheitssalon angerufen hatte und Paul daher wusste, dass sie log. Zu ihrer Erleichterung nagelte er sie jedoch nicht darauf fest. Stattdessen legte er ihr den Arm um die Schultern und bemerkte: „Ich staune immer wieder, welcher Mühe ihr Frauen euch unterzieht, um …” Ein Signalton unterbrach ihn. Er holte das Funktelefon aus der Brusttasche. „Ja?” fragte er schroff.
Tessa blieb auf dem Weg stehen.
„Was heißt, es ist durchgesickert?” fragte er scharf.
„Soll ich hineingehen?” flüsterte sie, doch er hörte ihr gar nicht zu.
„Wenn die verdammte Sache auffliegt, sind wir alle erledigt.” Er wandte ihr den Rücken zu und senkte die Stimme. „Natürlich will ich nicht aus der Anwaltskammer ausgeschlossen werden.”
„Ich gehe zu Mum”, erklärte Tessa und eilte zum Haus. Pauls heftige Reaktion auf den mysteriösen Anruf wunderte sie zwar, doch sie war froh, ihm nicht me hr erklären zu müssen.
Er sprach leise, doch es war so still um Tessa herum, dass sie ihn deutlich verstand. „Niemand muss mich daran erinnern, dass es meine Idee war”, sagte er. „Aber Sie haben wegen des schnellen Gewinns gern mitgemacht.”
Tessa rätselte noch über das sonderbare Gespräch, als sie ihre Mutter in der Küche vorfand.
Hatte Paul sie anders als erwartet empfangen, war das bei Rosalind nicht der Fall. Sie stand kurz vor der Explosion.
„Tessa!” rief sie schrill. „Wir waren außer uns vor Sorge!”
„Tut mir Leid, Mum”, erwiderte sie müde. „Ich bin nur zum Hafen gefahren, um allein zu sein -
und nachzudenken.”
„Um nachzudenken?” fragte Rosalind. „Am Vorabend deiner Hochzeit?”
„Es war alles so hektisch”, verteidigte sie sich.
Paul kam in die Küche. Tessa warf ihm einen beschwörenden Blick zu, weil sie auf seine Unterstützung hoffte. Das Verhalten ihrer Mutter, als wäre sie noch eine Jugendliche, die zu spät heimgekommen war, überforderte sie.
Doch Paul betrachtete betroffen das blaue Kostüm mit dem tiefen Ausschnitt und dem engen Rock. „So warst du am Hafen?” fragte er. „Ich hätte dir mehr Sinn für Anstand und Sitte zugetraut.”
„Um Himmels willen, ich habe dieses Kostüm schon mehrmals in deiner Gegenwart getragen, und du hattest nie etwas einzuwenden. Was glaubt du denn, habe ich gemacht? Unter einer Laterne auf Kundschaft gewartet?”
„Es gefällt mir nicht”, entgegnete Paul, „dass meine Braut sich am Hafen zur Schau stellt wie eine …”
„Ich habe mich keineswegs zur Schau gestellt!” herrschte sie ihn an, doch genau das hatte sie getan. Ihre Mutter betrachtete sie eingehend, und in ihrem Blick fand Tessa nicht nur Misstrauen, sondern auch Angst.
„Aber, aber, Kinder”, warf Rosalind nervös ein. „Wir wollen doch nicht streiten. Ihr seid beide überreizt. Wie wäre es mit einer Tasse Tee? Tessa, ich habe noch einen Teller Pasta vom Abendessen, den ich dir in der Mikrowelle aufwärme.”
„Danke, Mum.” Tessa ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken und stützte sich auf den Tisch.
Paul seufzte und setzte sich neben sie.
„Du hast wie immer Recht, Rosalind”, sagte er matt. „Ich bin tatsächlich überreizt. Diese schrecklichen beruflichen Probleme haben sich ausgerechnet zum falschen Zeitpunkt eingestellt.”
Tessa bemühte sich, besorgt zu klingen. „Hat das mit der gestrigen Gerichtsverhandlung zu tun, die dich aufgehalten hat?”
„Was weißt du darüber?” fragte er betroffen.
„Nichts”, erwiderte sie. „Ich wollte nur Interesse für deine Probleme zeigen.”
Er tätschelte ihre Hand. „Natürlich, meine Liebe. Es tut mir Leid.”
Rosalind brachte jedem von ihnen eine Tasse Tee und stellte einen Teller Fettuccine mit Huhn und Pilzen vor Tessa auf den Tisch. Danach ließ sie die beiden in der Küche allein.
Tessa trank Tee und aß und versuchte, Isaac zu vergessen. Es musste sein. Mit ihm gab es keine Zukunft. Und sie hoffte inständig, in der nächsten Nacht Paul Lust im Bett zu schenken. Er verdiente keine Ehe ohne Liebe.
10. KAPITEL
Der Hochzeitstag…
Tessa saß im Schlafzimmer ihrer Eltern und betrachtete sich in dem ovalen Spiegel. Nach einem Besuc h beim Friseur am Vormittag war
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