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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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Jedenfalls sagte das ihr Mann, und die Frauen hatten jeden näheren Kontakt zu ihren Körpern schon lange verloren.
    Toto hatte vorerst genug gesehen, es war sein erster Geschlechtsverkehr gewesen. Er hatte es sich doch irgendwie romantischer vorgestellt.
    Toto war schlecht, und er wusste nicht warum. Vielleicht war seine Idee von der Welt gerade ein wenig kleiner geworden. Die Menschen nahmen den Sex so wichtig, weil sie dabei nicht denken mussten, das lag ihnen nicht, das Denken und Stillhalten, da wurden mit Getöse alle Löcher gestopft, wurde aneinander gerieben, die Brüste geknetet, die Schwänze gerubbelt, nur um nicht bei sich zu sein, nur um nicht mit dieser furchtbaren Verantwortung umgehen zu müssen, ein Gehirn zu besitzen, das zu mehr fähig wäre, als auf fremde Geschlechtsorgane zu starren. Als Toto zu seiner Männerherberge zurückkam, lagen seine Sachen auf der Straße verstreut. Wenigstens waren die Noten nicht verlorengegangen. Sie lagen auf dem Trottoir.

Kasimir federte morgens
    in die Abteilung Devisenhandel der größten Bank der Stadt.
    Er versuchte, so gut es ihm möglich war, einen heterosexuellen Mann darzustellen. Er rauchte im Gehen, damals rauchte man noch, und zwar gerne, und er fuhr Rad, nicht weil er keinen Wagen hatte, sondern weil es zu seiner Vorstellung von Dynamik gehörte, die Hosenbeine eines teuren englischen Tweedanzugs mit alten Klammern zu straffen und auf einem Rennrad zum Preis eines Kleinwagens in die Bank zu gleiten. Der schnelle Sprint kurbelte Kasimirs Gehirnaktivität erfreulich an. Er verfügte über einen Hirnschaden, der sein Gefühlszentrum betraf. Später werden Studien seinen Defekt als nicht therapierbar belegen, im Moment waren das aber noch die achtziger Jahre, das Individuum als pathologische Einheit noch nicht entdeckt, und man bewunderte Kasimirs besondere Fähigkeit. Sein Vernunftzentrum war intakt, seine Gefühlsareale verletzt, das machte ihn in Anlageentscheidungen überlegen, denn er kannte weder Furcht noch Gier. Viele erfolgreiche Broker weisen diesen Hirnschaden auf, die sie dem normalen Anleger überlegen machen.
    Die Männer, die Kasimir bewunderte, arbeiteten in einer immer irrer werdenden Geschwindigkeit am Verfall der Zivilisation. Sie waren die Kannibalen der Neuzeit, ohne jede Intelligenz, die sie befähigt hätte, über ihr Leben hinauszudenken. Die Welt abnagen würden sie, wie ein appetitliches Rippchen. Im Moment machten sie ihr Geld vornehmlich mit dem Handel von Devisen und Unternehmen, bald schon würden sie zu Immobilien und Rohstoffen übergehen, der Untergang würde sich abzeichnen, wenn sie begannen, mit Grundnahrungsmitteln Poker zu spielen.
    Kasimir verachtete heterosexuelle Männer. Ob sich dahinter der Wunsch maskierte, wie sie zu sein, so unreflektiert und selbstverständlich in der Belegung von Machtpositionen, das wollte er nicht ergründen. Er verstand auch, dass die Verachtung der Heterosexuellen für Homosexuelle simple Evolution ist, doch es war ihm egal. Er entschuldigte Biologismus nicht.
    Kasimir plante sein Leben.
    Jeden Tag, jeden Anzug und jeden Schritt auf der Karriereleiter. Er war überzeugt, dass sich sogar der Tod, Verbrennung, Urnenbestattung, der Grabplatz war bereits erworben, planen ließ. Er bildete sich fort. Lernte Fremdsprachen, schlief wenig und hatte einen Kalender an der Wand, auf den er nach jedem erreichten Karriereschritt eine kleine Fahne steckte.
    Sein Leben, so glaubte er, würde nicht ausufern, wenn es kontrolliert verliefe, in einer Ordnung gehalten. Die Ordnung würde auf einem Geldbett stattfinden.
    Kasimir arbeitete als Wertpapierhändler in einer der größten Banken des Landes, er verdiente im Monat ungefähr zwanzigtausend Dollar, nach Abzügen, und es war nur eine Frage der Zeit, dass er sein Einkommen verzehnfachte und sich als Hedgefund-Manager selbständig machte. Kasimir ließ es ruhig angehen. Er fokussierte sich, er litt an leichtem Autismus, wie fast alle Männer, man könnte behaupten, dass das Testosteron im Mutterleib bei der Ausprägung des männlichen Gehirns nur Wesen in die Welt stellt, die nicht empathiefähig sind. Das waren nur Vermutungen, noch vor der Zeit, als wissenschaftlich bewiesen wurde, wie ernst zu nehmen das auch immer sein mochte, dass Autismus der reinste Ausdruck der männlichen Gehirnstruktur war.
    Kasimir lebte in einer Erdgeschosswohnung in einer erbärmlichen Straße im Rotlichtviertel in der hässlichen Stadt. Er fand es motivierend inmitten des

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