Vielen Dank für das Leben
schleppte sich ins Souterrain der Villa, das wirkte, als läge es im Nebel, und gleich würden längst verstorbene Zwillingspaare am Ende des Flures auftauchen.
Robert zeigte Toto ein Zimmer mit merkwürdig fleckigem Bodenbelag. Ein neues Kapitel in Totos Welt der Zufälle konnte beginnen; die gab es doch, diese Zufälle und Glück oder Pech, aber die Menschen mussten nur immer mit spitzem Mund betonen, dass sie daran nicht glaubten, denn sie beherrschten ihre Lebensgestaltung, beackerten tatkräftig den Garten, mit eignen Händen.
Später saßen die beiden am Küchentisch. Nach einem Glas Wein kam Robert ohne gewandte Überleitung auf seine Erkrankung zu sprechen. Du fragst dich, warum ich so schlecht aussehe, fragte Robert, und Toto hatte sich das eigentlich nicht gefragt, denn seine Knochen taten ihm wieder sehr weh, und wegen der fünf Spiegeleier, die er verzehrt hatte, war ihm ein wenig übel. Meine beiden Nieren sind funktionsuntüchtig, sagte Robert mit einem Ton, der an Schluchzen erinnerte. Ich muss dreimal in der Woche zur Dialyse, sagte er. Was bedeutet das, fragte Toto, sein Mitleid war geweckt, es bedurfte wenig, dass er sich in der Rolle dessen fühlte, der einen anderen betreuen muss. Robert holte aus. Nehmen wir an, eine mit Gift beladene Flüssigkeit wird in einen Plastiksack mit kleinen Poren gefüllt. Der Plastiksack liegt in einer wässrigen Lösung. Alle Giftstoffe, die durch die Poren passen, können nun aus der verseuchten Flüssigkeit in die wässrige Spül-Lösung wandern, bis die Konzentration der Giftstoffe auf beiden Seiten der porösen Trennwand gleich ist. Damit werden die Giftstoffe aus dem Blut dialysiert, also entfernt. Es verlängert mein Leben, retten indes kann mich nur eine Nierenspende. Aber es gelingt nicht, einen geeigneten Spender zu finden, dabei können die Menschen sehr gut mit einer Niere leben. Robert sah Toto an wie ein kleines Tier, das halb überfahren unter dem Auto liegt. Ist denn so eine Operation schmerzhaft? Toto sah sich auf dem blanken Boden eines Operationszimmers kriechen, Schläuche aus der Nase, offene Wunden, so genau hatte er es nicht wissen wollen.
Aber nein, man spürt nichts, sagte Robert. Man spürt überhaupt nichts.
Keine Uhr tickte. Toto betrachtete seine Hände. Sie schienen ihm abgezehrter als früher. Fast sah man Knochen. Weißt du, ich möchte so gerne einen Tag ohne Übelkeit sein. Toto, dessen körperliche Befindlichkeit sich nicht stabilisieren mochte, konnte das sehr gut nachvollziehen. Ich hatte nicht viel Glück im Leben, sagte Robert. Außer diesem Haus, das meine Mutter mir hinterlassen hat, besitze ich nichts. Seit Jahren warte ich auf meinen Durchbruch als Sänger, ich bin einer der besten Countertenöre des Landes, aber der Apparat ist gerade gegen diese Stimmlage. Toto stellte sich den Apparat vor, der sich gegen Stimmlagen ausspricht, Robert fuhr fort: In Amerika hätte ich groß rauskommen können, aber in diesem Land? In diesem Land, in dem es weder Humor noch Finesse gibt, in dem Kultur Wagner bedeutet und Kleidung fleischfarben und atmungsaktiv ist, ich bitte dich, hier werde ich es zu nichts bringen, dabei bin ich einer der.
Toto nickte, er hatte nicht genau gehört, was für einer der Robert war, er war müde und wollte gern liegen, doch er wusste, dass er nicht würde einschlafen können, wegen der Schmerzen, die dumpf in seinen Gelenken hockten, und hier wurde er gebraucht, er berührte Roberts Hände, und es schien, als habe der nur darauf gewartet. Wenig später lag Robert schluchzend in Totos Armen und berichtete ihm von der Großen Niederlage, die sein Leben war. So eine arme Seele, die sich durch ein dunkles Leben kämpft, keiner da, der ihm für einen Moment die Illusion schenken will, dass es lohnt zu leben, weil da ein Mensch ist, der dich braucht. Das bekommt doch keinem, so völlig ungebraucht. Toto streichelte Robert, brachte ihn später zu Bett und ging erschöpft in seinen Keller.
In jener Nacht lag Toto in Vorfreude der Nachricht, die er Robert morgen überbringen wollte. Die Niere. Natürlich würde er Robert, der ihm in der Not geholfen hatte, seine Niere geben. Eine reicht vollkommen, und es tut nicht weh. Oben im Salon telefonierte Robert mit einem Bekannten. Er ist dabei. Sie können Frau Professor schicken. Dann legte er auf, und seine Augen schielten vor Falschheit.
Und weiter.
Die Gesangsstunden bei Robert waren ein rares Ereignis, dem Toto ungern beiwohnte, er tat es, um Robert eine Freude
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