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Vielen Dank für das Leben

Vielen Dank für das Leben

Titel: Vielen Dank für das Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Berg
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er sich immer wieder über orthographische Fehler. Die Erregung, die manchen über die mangelhafte Rechtschreibung anderer heimsucht, ist das Eingeständnis eines komplett gescheiterten Lebensentwurfs. Toto wusste, wann immer man so einen trifft, heißt es verschwinden, so schnell wie möglich. Und saß doch in einem Taxi zu eng. So langweilig kann einem alleine nie werden wie mit einem Menschen, mit dem man sich nicht versteht und der glaubt, in einen verliebt zu sein.
    Toto würde diesen Urlaub vergessen, zumindest hoffte sie das, allein die unendlichen Fahrten in heißen, klappernden, rasselnden, stinkenden Taxis, an die würde sie sich immer erinnern. Sie flossen zusammen zu einer einzigen langen staubigen Straße mit komplett unvertrauten Menschen am Wegesrand. Ab und an hielten sie und stiegen aus, wobei sich stets sofort eine kleine Ansammlung um Toto bildete. Dann liefen sie in alberner Hitze ein wenig an Sehenswürdigkeiten vorüber, umringt von gaffenden Asiaten, die sich vornehmlich über Toto zu amüsieren schienen. An einer kleinen Dreckspiste standen Holzhütten, vor denen weiß angemalte Kinder saßen. Die Nuttenstraße der Stadt. Fünf Dollar pro Verkehr. Von hinten könnte man sie für Jungen halten, sagte Peter, er sagte immer etwas, das man nicht überhören konnte, das ihn abstoßend machte, zumindest für Toto.
    Sie besichtigten den Mekong, und wenn er eine Lebensader sein sollte, wollte man den Tod wirklich nicht kennenlernen. Tuol Sleng, das alte KZ, in dem Toto fast ohnmächtig wurde, und Peter rauchte, die Killing Fields, je mehr man von der Geschichte des Landes begriff, umso unverständlicher wurde, wie sich Touristen hier aufhalten konnten. Die haben doch nichts hier zu tun, an diesem verkommenen Ort. Das ist wie Urlaubmachen in Bürgerkriegsgebieten oder nach Tsunamis, da hocken doch immer Touristen, die Blutegel der Menschheit, an den absurdesten Orten und sagen: Wenn wir nicht kommen, hilft es dem Land ja auch nicht.
    Was mache ich hier, fragte sich Toto jede Sekunde. Es gelang ihr nicht, sich zu entspannen, ein herzensguter, wissbegieriger Tourist zu sein, das wollte ihr nicht gelingen, es befand sich eine klebrige Schicht zwischen ihr und der Wirklichkeit, die sie nicht berühren wollte.
    Phnom Penh wirkte, als kauerten die Seelen all der Ermordeten am Ufer des Flusses und spieen mit klebrigen Fäden nach den Lebenden. Ein Ort, an dem jeder Weiße wie ein Freier wirkte. Vierhunderttausend Touristen kamen nur wegen des Geschlechtsverkehrs ins Land. Wer hatte sie gezählt? Und was hatte es mit diesen Penissen auf sich, dass ihre Träger zwölf Stunden in einem Flugzeug saßen, nur um ihn irgendwo unterzubringen, zu reiben, ein paar Sekunden Wohlgefühl?
    Alles hier war falsch. Ein guter Ort, um die Hölle zu malen, nach seinem Vorbild.
    Die Touristen waren unangenehm. Junge Männer, die mit scharfer Munition schießen und auf Enduro-Maschinen durch die Killing Fields fahren wollten, ab und an kamen Stars ins Land, um Kinder zu adoptieren, und natürlich auch hier Massen an guten grauhaarigen Paaren, Kulturtouristen, die Traditionen respektieren und sich lächelnd vor den Kinderhuren verbeugen.
    Ein Hauch von Wahnsinn umschwebte ihre Häupter. Sie waren offene westliche Menschen, durchaus mit einem kritischen Augenzwinkern. Wann immer so ein Paar Totos ansichtig wurde, verzogen sich die Gesichter für unbeherrschte Sekunden voll Abscheu.
    Was tue ich nur hier? Fragte sich Toto.
    Und Peter. Trug seine Erwartungen wie einen Fettanzug um sich, der ständig wuchs. Er konnte sich kaum mehr bewegen vor Enttäuschung, die in aggressive Bosheit umschlug mit den verstreichenden Tagen.
    Peter lachte zu laut, er berührte Toto zu oft, Peter suchte Streit, fand ihn nicht, war beleidigt, stöhnte im Schlaf, seine Bettdecke wackelte, er weinte im Anschluss, antwortete nicht, hatte am Morgen schlechte, alles vergiftende Laune.
    Am Ende der zwei Wochen redete Peter nicht mehr mit Toto. Beide frühstückten schweigend, dann ging Peter unbekannten Missionen nach, und Toto lag auf dem Bett im Hotelzimmer. Sie wollte nicht mehr in diese Stadt, nichts Grauenhaftes mehr sehen, nicht mehr angestarrt werden, angefasst, angebettelt, sich schuldig fühlen, sie wollte nur noch heim, an einen Ort, wo sie nur gering und auf keinen Fall als Tourist auffiel, wo es Menschen gab, die auch nicht liebenswert waren, die man jedoch wenigstens hätte verstehen können. Nach Hause. Heimat, Hirsch, Ahorn, Winter, Streusplitt,

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