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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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Gefährte für Schabernack gewesen. Mit ihm war immer was los gewesen, zum Leidwesen meiner Eltern. Einmal hatte Kevin es fast geschafft, das Haus anzuzünden. Ich will gar nicht näher darauf eingehen. Ich kenne keinen Jungen, der so viel Hausarrest absitzen musste wie Kevin Koman. Ich höre heute noch, wie meine Mutter ständig durch die Siedlung schrie: „Keeeevin Koman!“
Ich bin der Jüngste und war eigentlich nicht mehr geplant gewesen. Mein Vater war schon 46 und meine Mutter 42. Aber ich war nun mal gezeugt und wurde mit umso mehr Liebe und Aufmerksamkeit großgezogen.
Meine Eltern lehrten mich die soziale Einstellung zum Leben, David lehrte mich das Lernen, und Kevin lehrte mich, Spaß zu haben. Jetzt bin ich eine Kombinationspackung und Psychologe geworden. Was sonst sollte auch dabei herauskommen?
Kevin war, genau wie ich, noch beziehungslos. Er allerdings wechselte seine Freundinnen wie Unterhosen und hatte sich damit einen unglücklichen Ruf in der Stadt verschafft. Aber seine Hände waren aus Gold. Jeden, den er behandelte wurde gesund. Das bescherte ihm auch immer wieder neue Bekanntschaften. Ob er jemals eine solide Frau finden würde, bezweifelte ich.
Ich war eine gute Mischung aus beiden Brüdern geworden. Aber ich war mit 26 auch noch nicht gebunden, eiferte ein bisschen Kevins Art nach. Doch seit Jenny in mein Leben getreten war, fand ich Kevins Umgang mit Frauen plötzlich widerlich. Das änderte aber nichts an unserem Verhältnis als Brüder. Wir alle verstanden uns einfach gut. Nicht zuletzt durch die gewaltfreie und stark sozial geprägte Erziehung unserer Eltern. Wir hatten zeitlebens ein stabiles Elternhaus genossen. Unsere Eltern waren für uns eine Einheit. Eine Trennung wäre undenkbar gewesen.
Mein Vater sagte uns einmal, kurz nach dem Tod meiner Mutter, dass sie immer die Einzige gewesen sei, die er zutiefst geliebt hat. Er hatte sich nie für andere Frauen interessiert. Nicht ein Stück. Ob das bei Jenny und mir auch so werden würde?
Bis zur späten Stunde erzählte ich nichts von Jenny. Erst als David mich direkt fragte, gab ich nach. Ich erzählte vorsichtig von unserer gemeinsamen Arbeit.
Mein Vater grinste mich an. Er kannte mich und wusste sofort, dass die Geschichte weit ernster war, als ich erzählte. Wenn ich frei raus erzählte, war es belanglos. Wenn ich zurückhaltend erzählte, war es ernst. So einfach sah mein Vater das. Wie ich schon erwähnte, wir waren uns sehr ähnlich und verstanden uns auch ohne Worte.
Der Abend mit Vater, meinen Brüdern und Melissa war einfach wunderbar. Ich bemerkte, wie sehr ich die familiäre Atmosphäre vermisste, und schmerzlich sah ich auf den Abschied am nächsten Morgen.
Doch zuvor lachten wir uns in wahre Magenkrämpfe hinein.
Ich konnte in meinem alten Zimmer schlafen. Eine Eigenart, die Eltern pflegen: das Zimmer der Kinder stets zu erhalten.
Als ich im Bett lag, dachte ich wieder an Jenny. Ich hatte mich wohl mehr verliebt, als ich mir zugestand. In der Nacht träumte ich von einem Beisammensein mit ihr ohne Erektionsstörung.
Nach einem reichhaltigen Frühstück fuhr ich traurig wieder zurück nach Denver. Mein Vater klopfte mir mutmachend auf die Schulter mit den Worten: „Du kannst Chris nicht heilen, aber du kannst der Menschheit einen guten Dienst erweisen.“
„Nämlich?“, fragte ich.
„Schreibe seine Geschichte auf und bringe sie an die Öffentlichkeit. Das hilft allen.“
Ich wollte darüber nachdenken und fuhr los.
Ich werde dieses Wochenende nie vergessen. Es war das letzte Zusammensein mit meinem Vater.
    Als ich am Nachmittag in meiner Wohnung eintraf, waren zwei Nachrichten auf meinem Anrufbeantworter. Die erste war von Pilburgs Witwe. Sie teilte mir kurz mit, dass sie mir keine Vorwürfe wegen Jacks Selbstmord machen würde. Er war in letzter Zeit sehr labil und auch tablettenabhängig gewesen. Die Arbeit hätte ihn schon lange überfordert. Es war nur noch eine Frage der Zeit gewesen, wann er zusammenbrechen würde. Jeder Anlass hätte es gewesen sein können.
Die Nachricht tat mir gut. Vergebung war das, was ich momentan gut gebrauchen konnte. Ich machte mir nämlich immer noch Vorwürfe wegen seinem Tod.
Die zweite Nachricht war von Jenny. Ob ich am Wochenende schon was vor hätte? Sie hätte zwei Eintrittskarten für ein U2 Konzert am Abend. War mir auch kein Begriff. Ich wusste zwar, dass es eine Pop-Gruppe ist, aber weiter nichts. Ich höre wenig Musik. Und wenn, dann eher Klassik. Rock und Pop hatten mich nie

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