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Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition)

Titel: Vielleicht gab es keine Schuld (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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vorbei.
Jason hockte auf dem Bett und löste Kreuzworträtsel. Ich baute meine Staffelei auf und verbrauchte meine letzten Ölfarben.
Jason war begeistert von dem Bild.
„Mr. Mintz“, sagte ich, und er sagte: „Voll geil!“
Ich gebe zu, sein Mund sah ein bisschen gequält aus. Aber Jason gefiel es. Ich sagte ihm, dass sich morgen ein großer Kunstkenner meine Bilder ansehen wollte.
Er sagte: „Ich kann nicht malen. Ich kann aber gut dichten.“
Ich fragte, was er denn so dichtete, und er las mir ein paar Gedichte vor. Die waren echt gut.
Ich zeigte ihm meine Kartons voller Geschichten. Noch an diesem Abend brachte ich ihm das Mischen von roter Tinte mit Blut bei. Wir verstanden uns prächtig.
    Ich war froh, in einem Schlafanzug schlafen zu dürfen. Es machte das Liegen gemütlicher.
Als ich so lag, fiel mir ein, dass mein Sexlexikon fehlte. Das machte mich ganz unruhig. Ich flüsterte: „Jason?“
„Psst!“, kam es zurück.
„Jason?“
Stille.
„Hast du ein dickes Buch von mir gesehen?“
Keine Antwort.
Ich schaltete das Licht ein und sah, wie Jason samt Kopf unter der Bettdecke verschwand. 
Ich wusste nicht, was das bedeutete. Aber als die Tür plötzlich aufflog und ein großer glatzköpfiger Mann in grauen Schlabbersachen hereinstürmte, wusste ich, dass ich irgendetwas falsch gemacht hatte.
Er packte mich am Handgelenk und schliff mich über den Flur. Hinaus über den Hof. Hinein in das Schulgebäude. Hinein in den Bunker. Tür auf, Arschtritt rein, Tür zu.
Alles war dunkel. Ich war nass bis auf die Knochen. Es regnete draußen in Strömen. Meine Füße waren voller Matsch.
Ich tastete mich umher. Ich befand mich in einem kleinen, viereckigen Raum. Nackte Wände, Betonboden.
Ich rief: „Hallo?“
Alles blieb ruhig. Der Raum war genau richtig für eine kleine Kunstausstellung wie meine. Ich sackte auf den Boden und schlief ein.
    Am nächsten Morgen holte mich dieser glatzköpfige Mann wieder heraus.
Ich sagte: „Nicht schlecht für eine Kunstausstellung“, und ließ mich wieder am Handgelenk über den Hof und den Flur in mein Zimmer schleifen. Kurze Zeit später ging die Sirene. Ich schrie. Jason stopfte mir das Maul mit seiner dreckigen Unterhose.
Ich hatte viel Schmutz vom Hof ins Zimmer gebracht und musste das schleunigst wegmachen. Dafür gab es auf jedem Zimmer Schaufel und Besen.
    „Was war das?“, fragte ich Jason.
„Der Bunker“, antwortete er mir. „Sobald geredet wird oder das Licht nach zehn angeht, geht’s in den Bunker.“
Ich nickte. Das stand auf dem Regelblatt der Hausordnung. Regel Nummer 13: Kein Reden, kein Licht, keine Toilette nach zehn.
Alle Regelverstöße hatten also den Bunker zur Folge.
„Wie merken die das?“, fragte ich ratlos.
„Kameras, Abhörgeräte. Was weiß ich.“
„Wo?“
„Weiß nicht.“
Wir mussten zum Duschen. Alle nackt. Große und kleine Jungen.
Ich fiel nicht auf und ließ mich von niemandem anfassen.
„Wie war's im Bunker?“, fragte mich Jason unter der Dusche.
„Cool“, sagte ich. „Ein cooler Kunstraum.“
„Was?“, hörte ich Jason gurgeln. Er hatte sich gerade an dem Wasser verschluckt. Man soll auch nicht reden mit Wasser im Mund.
„Ich werde dort meine Kunstausstellung aufbauen.“ Ich war ganz sicher.
    Das mit der Ausstellung sprach sich schnell rum. Einige, die noch nie im Bunker waren, wurden neugierig und sagten, sie würden demnächst versuchen, da mal rein zu kommen.
Ich musste wegen des Vorfalls heute noch vor dem Unterricht zu Mr. Mintz ins Büro.
„Sagte ich dir nicht, dass du kein Licht machen sollst?“, fragte er erbost.
„Ja, Sir. Aber nicht, dass ich nicht reden darf, Sir.“
Er schlug die Faust auf den Tisch. Dieser Knall war mir zu laut. Mein Hirn rastete aus, ich rannte auf Mr. Mintz zu und schlug ihn.
Drei Minuten später war ich wieder im Bunker.
Mein Trauma, ich weiß.
Egal ob Tag oder Nacht, der Bunker war immer stockfinster. Und kalt. Doch diesmal hatte ich Schuhe und Klamotten an. Es ging also.
Mir war furchtbar langweilig. Ich war auch nicht müde und überlegte, was man in der Dunkelheit alles machen könnte. Ich hatte eine Idee:
Zuerst zog ich meinen Pullover aus. Dann kratzte ich die Kruste von meinem letzten Schnitt auf. Ich spürte, wie das Blut die Hand hinunterfloss. Ich könnte mich doch mal ganz anmalen, dachte ich und malte Kreise und Striche mit dem Blut auf meine Brust, ins Gesicht und auf die Arme. An den Rücken kam ich nicht dran.
Ich musste cool ausgesehen haben. Das war doch mal was: Ein

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