Vielleicht Verliebt
vertreibt den Gedanken und sagt: »Das klingt doch eigentlich, als wäre alles super.«
Joram schüttelt den Kopf. »Jetzt nicht mehr. Wir haben uns – gestritten. Eigentlich war es aber gar kein Streit.« Schnalle auf, Schnalle zu. »Wir haben gepuzzelt.« Joram guckt, als hätte er was Superpeinliches zugegeben. »Keine normalen Puzzles natürlich, sondern so monochrome Flächen, kennst du die?«
»Mono … was?«
»Einfarbig«, erklärt Joram. »Ohne Motiv. Viel schwieriger als … ist ja auch egal. Jedenfalls machen wir das schon seit Ewigkeiten. Du findest das vermutlich Babykram …«
Elisa zuckt mit den Schultern. »Mein Ding ist Puzzeln nicht, schon gar keine einfarbigen Flächen.« Bei der Vorstellung runzelt sie unwillkürlich die Stirn. »Aber wenn es euch Spaß macht.«
»Das ist es ja eben«, sagt Joram. »Mir macht es keinen richtigen Spaß mehr. Irgendwie. Ich finde es ein bisschen … langweilig.«
»Kann ich gut verstehen.«
Schnalle auf, Schnalle zu. »Na ja. Und das hab ich Max dann auch gesagt. Aber nicht böse oder vorwurfsvoll, sondern einfach so, wie man solche Sachen eben sagt. Verstehst du?«
» Ach übrigens .«
»Mmh?« Joram sieht sie verwirrt an.
»Nein, ich meine, so hast du es gesagt, oder? Ach übrigens, wollen wir nicht mal was anderes unternehmen als monodingsdane Flächen zu puzzeln? Richtig?«
»So ungefähr.« Joram atmet tief ein und konzentriert sich wieder auf seine Schnalle. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er das schlimm findet.«
»Aber er war sauer?«
Joram schüttelt langsam den Kopf. »Er war nicht sauer. Er ist ausgerastet .«
»Weil du nicht puzzeln wolltest?!«
Joram nickt versunken vor sich hin. »Er hat das Puzzle, das schon fast fertig war, auseinandergerissen und die Teile überall verstreut. Und hat geschrien, dass ich mich total verändert habe und dass –« Er starrt auf seine Tasche und sagt nichts mehr.
»Dass was?«
Jorams Ohren werden röter, als Elisa sie jemals vorher gesehen hat. »Dass das alles nur an dir liegt.« Die letzten Worte sind superleise und gehen fast im Schnallengeklacker unter, aber Elisa hört sie trotzdem glasklar. Schlagartig versammeln sich eine Million Glühwürmchen in Habt-Acht-Stellung um ihren Kopf.
»Wieso denn an mir?«, fragt sie, genauso leise. Und während sie gebannt Jorams Lippen beobachtet, hibbeln die Glühwürmchen aufgeregt hoch und runter und rufen in heller Aufregung:
Ist Joram etwa in Elisa verliebt?
Ist Max eifersüchtig, weil Joram nur noch von Elisa spricht?
Wenn Joram in Elisa verliebt ist, ist sie auch in ihn verliebt.
Das ist der entscheidende kosmische Faktor.
Von wegen ›Bruder‹!
Joram unterbricht die Diskussion: »Max nennt euch immer die ›Gehirnwäscher‹.«
Abrupt verstummen die Glühwürmchen und schwirren erschrocken in alle Richtungen davon.
»Er denkt, ich werde jetzt irgendwie – durchgeknallt oder so, wenn ich öfter mit euch zusammen bin und an den Wochenenden hier wohne und so. Weil Papa, mein Va …«, Joram holt Luft, »Tristan sich ja auch so doll verändert hat, seit er euch kennt.«
Der Nieselregen hat wieder eingesetzt. Elisa ist so enttäuscht, dass sie am liebsten heulen würde. Aber stattdessen sagt sie: »Man ist immer der Mensch, der man ist.«
Joram schüttelt den Kopf. »Papa … Tristan nicht.« Schnalle auf, Schnalle zu. »Also, klar, schon. Aber früher, als er noch mit meiner Mutter zusammen war, war er wirklich anders.«
In Elisas Kopf startet ein Gedankenkaffeeklatsch, bei dem ein ziemliches Durcheinander herrscht. Als sich alle beruhigt haben, fasst sie das Ergebnis für Joram zusammen: »Vielleicht hat das aber mehr was mit deiner Mutter zu tun. Und nicht mit uns.«
Joram schweigt. Schnalle auf, Schnalle zu.
»Kannst du das mal sein lassen?« Elisa reibt sich die kühl gewordenen Arme. »Bitte?«
Joram schweigt weiter, schiebt aber immerhin die Hände in seine Hosentaschen. Dann sagt er plötzlich ganz leise: »Er hat nicht aufgeräumt.« Langsam hebt er den Kopf und sieht Elisa an. »Max ist einfach abgehauen. Ohne aufzuräumen. Das ist echt das Schlimmste …«
»Äh, das ist das Schlimmste?«, fragt Elisa verwirrt. »Dass du allein ein Puzzle wegräumen musstest?«
Joram schüttelt den Kopf. »Es geht doch nicht um das Puzzle. Es geht um Max. Du kennst ihn nicht. Er ist superordentlich. Ein durcheinandergeschmissenes Puzzle, das ist für ihn wie – Folter. Einmal hat ein Teil gefehlt. Da mussten wir mein ganzes Zimmer auf
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