Vielleicht Verliebt
wie lange dauert so was?«, will Mai wissen.
»Das kommt drauf an.« Langsam, langsam gewöhnen sich Elisas Augen an die Helligkeit. »Und außerdem wisst ihr ja, dass Papa Paul fast nie eine Pause kriegt. Kann gut sein, dass er schon den nächsten Auftrag reinbekommt, wenn er gerade den Anzug abholen will.«
»Das ist aber sehr blöd für die schöne Eva«, knurrt Mai.
»Ich weiß was!«, ruft Juni. »Es kann sich ja ein anderer Geheimagent um die schöne Eva und die kleine E-Punkt und um die Zwillinge kümmern, wenn die aus dem Bauch rauskommen. Einer, der nicht so viel zu tun hat.« Juni bekommt ein ganz aufgeregtes Leuchten in die Augen. »Oder noch besser: einer, der gar kein Geheimagent ist! Der immer Zeit hat.« Die Gartenpforte quietscht, und Juni springt von der Wiese auf. »Tristan!«, ruft sie und stürmt auf ihn zu. »Bitte rette nienienie die Welt, okay?«
»Äääh.« Tristan wirft Joram einen fragenden Blick zu, dann nimmt er Juni auf den Arm. »Ich werde mich bemühen.«
E lisa ist vom Bruder-Nieselregen vorhin noch ganz klamm und fragt sich, ob es vielleicht ein Zeichen sein soll, dass Joram ausgerechnet jetzt hier auftaucht, haarscharf am Experiment mit den verbundenen Augen vorbei. Damit bleibt die einzige Erkenntnis daraus diese Geschwister-Kiste.
»Du bist ganz schön spät dran«, sagt sie leise.
Jorams Ohren schalten sich auf Rot, aber davon wird Elisa auch nicht trocken.
»Ich war …« Leicht nervös schiebt er die Schnalle von seiner Tasche auf und sofort wieder zu. »Können wir vielleicht in dein Zimmer gehen?« Er wirft einen schnellen Blick auf Tristan und die Kleinen, die durch den Garten jagen.
»Klar, komm«, sagt Elisa und geht voraus.
Das Chaos in ihrem Zimmer liegt, weil schon so lange so schönes Wetter ist, unter dem normalen Durchschnitt, es dauert nicht lange, bis sie für Joram durch die Klamotten der letzten Wochen eine Schneise zum Hängebett geschlagen hat. Sie hangelt sich am Seil hoch und wartet, dass er nachkommt.
»Geht’s?«, fragt sie.
»Muskelkater«, stöhnt er. Aber Klettern ist auch ohne Muskelkater nicht sein Ding. Als er endlich oben ist, schnauft er noch ein bisschen. Er schiebt seine Schnalle auf und wieder zu.
»Also«, sagt Elisa.
Joram sieht sie nicht an. Er atmet tief durch und räuspert sich dann. »Also. Kann sein, du findest es komisch, dass ich mit dir darüber rede. Weil …« Schnalle auf, Schnalle zu, »… es irgendwie mit dir … zu tun hat, ein bisschen, aber ich glaub, du bist …«
Schnalle auf, Schnalle zu.
»Fang doch einfach mal an«, sagt Elisa aufmunternd. »Und dann gucken wir, wie ich es finde.«
Joram schiebt die Schnalle auf. »Okay.« Seine Stimme ist leise. Endlich dreht er den Kopf zu Elisa. »Ich hab dir doch schon mal von Max erzählt, weißt du noch?«
»Klar. Dieser eine Freund, der immer bei dir übernachtet. Und der sich meinen Namen nicht merken kann.«
Joram schüttelt den Kopf. »Er kann sich überhaupt keine Namen merken. Und er ist auch nicht nur irgendein Freund, er ist mein bester Freund. Wir kennen uns schon ewig.« Sein Blick wandert zum Fenster. »Eigentlich erst seit zwei Jahren. Seit ich in seine Klasse gekommen bin.« Seine Stimme klingt überrascht, aber dann wird sie wieder ganz trübe und traurig. »Es fühlt sich aber an wie ›schon ewig‹. Max hat sich um mich gekümmert, als für mich alles neu war. Und mir immer zugehört. Und irgendwie – hab ich bei ihm auch mehr zu erzählen.«
Er wirft einen Blick zu Elisa, wie um zu fragen, ob sie das versteht.
Elisa nickt nur. Manche Leute sind wie ein Brunnen. Die haben ganz viel Platz. Und je mehr man in sie reinplumpsen lässt, desto mehr fällt einem ein, was man ihnen noch sagen möchte. Andere hören zwar zu, sind aber eigentlich schon voll.
»Seine Lösungsvorschläge bei Problemen sind nicht immer die allerbesten, aber …« Den Satz spricht Joram nicht zu Ende. »Als meine Eltern sich getrennt haben, war das für Max fast genauso schlimm wie für mich. Und trotzdem hat er noch versucht, mich zu trösten. Ich glaub, er denkt immer noch, dass Pap … dass Tristan eines Tages zurückkommt.« Joram streift Elisas Gesicht mit einem schnellen Blick. » Ich denk das natürlich nicht.«
Schweigepause.
Dann zuckt er mit den Schultern und starrt seine Tasche an. »Weiß auch nicht, ich hab ja keine Geschwister, aber so hab ich es mir immer mit einem Bruder vorgestellt.«
Elisa holt tief Luft. Nicht schon wieder ein Bruder! Aber sie
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