Vielleicht Verliebt
den Kopf stellen, aber wir haben das Teil trotzdem nicht gefunden. In der Nacht hat Max kein Auge zugemacht. So ist er, verstehst du? Und jetzt – ist er einfach gegangen. Im totalen Chaos.«
Elisa zieht an ihren Ohrläppchen. »Okay, das klingt echt irgendwie übel. Aber meinst du nicht, der beruhigt sich wieder? Wann war denn das?«
»Letzten Montag.« Die Worte klingen hochdramatisch. »Seitdem war Max nicht mehr in der Schule. Und er geht nicht ans Telefon. Ich hab schon hundert Mal bei ihm angerufen.«
»Vielleicht ist er krank?«
»Hab ich auch zuerst gedacht, aber dann wär er doch zu Hause.«
»Oder im Krankenhaus.«
Joram starrt Elisa entgeistert an. »Glaubst du?«
Sie schüttelt den Kopf. »Er ist dein bester Freund, oder?«
Joram nickt.
»Wenn was Schlimmes passiert wäre, hätten seine Eltern dir bestimmt Bescheid gesagt.«
Joram denkt einen Moment nach, dann nickt er wieder. »Ich glaub, er geht mir aus dem Weg. Er will nicht mit mir reden.« Er zieht die Hände aus den Taschen und fängt wieder an, an seiner Schnalle rumzuschieben. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Wenn er mein Freund wäre«, sagt Elisa, »würde ich hingehen und so lange Sturm klingeln, bis er mich reinlässt.«
»Hingehen?« Joram sieht aus, als hätte sie ihm geraten, sich ein Raumschiff zu bauen.
»Ja, du weißt schon, linker Fuß vor, rechter Fuß vor, an den richtigen Stellen abbiegen, vor dem Haus anhalten. Hingehen eben. Kennst du doch.«
»Zu Max!?«
Elisa seufzt. »Zu wem denn sonst?«
»Das geht nicht«, sagt Joram entschieden. »Ich kann Max nicht einfach so überfallen.«
»Warum nicht? Ich denke, er ist dein bester Freund?«
»Trotzdem. Ich …« Jorams Gesicht sieht erst nachdenklich aus, dann kommt Verwirrung in die Augenbrauenpartie, dann Panik. Er schluckt.
»Ich …«, Jorams Stimme klingt kratzig. Er räuspert sich.
»Ich …«, Jorams Stimme klingt hoch. Er hustet.
»Ich …«, Jorams Stimme ist nur noch ein Flüstern.
Er packt sein Notizbuch aus und schreibt mit riesigen, hektischen Buchstaben:
ICH WAR NOCH NIE BEI MAX ZU HAUSE!!!
D raußen sind alle um den Bistrotisch versammelt und streiten sich darüber, ob Tristans Kommode schöner ist als ihre alte und deswegen in den Flur darf, oder ob die alte bleibt und sie die von Tristan lieber bei eBay versteigern.
»Nur über meine Leiche!«, ruft Tristan. Als er Elisa allein aus dem Haus kommen sieht, wechselt sein Gesichtsausdruck von Empörung zu Verwunderung. »Wo ist Joram?«, fragt er.
»Der musste weg.«
»Wohin?«
»Zu Max.«
»Ich hatte ihn doch gerade erst geholt! Ist er denn zu Fuß weg?«
Elisa nickt.
»Das ist gemein«, ruft Juni. »Joram hat uns gar nicht Hallo gesagt.« Sie denkt einen Moment nach. »Wer ist Max?«
Elisa lässt sich wortlos neben Tristan aufs Sofa plumpsen. Sie hat keine Lust, Fragen nach Max zu beantworten. Weder die von Juni noch ihre eigenen. So weit kommt es noch, dass sie dem Gehirnwäscher-Typ zu Ehren eine Festtafel für einen neuen Gedankenkaffeeklatsch deckt, bei dem es darum geht, wie man einen besten Freund haben kann, bei dem man noch nie zu Hause war. (Schon steht der erste Teller auf dem Tisch.) Und wieso dieser Freund seine Energie nicht zum Beispiel dazu einsetzen kann, sich den perfekten neuen Namen für Elisa auszudenken, wenn er ihn sich schon nicht merken kann. (Tasse.) Sondern diese Energie stattdessen dazu benutzt, Leute, die er nicht mal kennt, als Durchgeknallte hinzustellen. (Käsekuchen.) Und damit die Frage, ob Elisa die unausweichliche Phase-Zwei-Schwester oder die selbst ausgesuchte Verliebte für Joram sein könnte, in eine ungute Richtung zu drängen. (Saft, Milch, Zucker, Strohhalme.)
Schluss! Elisa will einfach nur eine Pause. Kommodendiskussion. Die perfekte Ablenkung. Aber als sie wieder hinhört, hat das Thema leider gewechselt.
»Er ist zwei Jahre älter als Joram. Wenn ihr mich fragt, merkt man davon aber, ehrlich gesagt, nicht viel. Kann natürlich auch an Joram liegen. Ich weiß nie, wie viel Vernunft für einen Zehnjährigen normal ist. Jedenfalls gehen sie in die gleiche Klasse. Und irgendwie ist der ein komischer Kerl, der Max.«
»Warum?«, fragt Juni.
»Tja, warum?« Tristan guckt in die versammelte Runde. »Ich weiß nicht. Er klebt irgendwie so an einem. Vor allem an Nikola. Wenn er bei uns – also, bei ex-uns, bei Nikola und mir, früher –«, Tristans Hand wirbelt orientierungslos durch die Luft, »ihr wisst schon, wenn er da zu Besuch war,
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