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Vielleicht Verliebt

Vielleicht Verliebt

Titel: Vielleicht Verliebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Loebner
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eine Portion Irgendwas aus der Tiefkühltruhe auf. Es war noch nie so still im Haus wie in dieser einen Woche. Seit dort sieben statt sechs Leute wohnen.
    Als Holly am Freitagmittag nach Hause kommt, wartet Juni schon vor der Haustür auf sie.
    »Wir waren heute nicht im Kindergarten, sondern haben Tristan mit dem Zimmer von Joram geholfen. Jetzt ist alles fertig! Willst du mal gucken?« Sie schleift Holly durch den Flur. An Jorams Zimmertür prangt sein Name in Holzbuchstaben, das ›J‹ ist eine Note. Darüber formen krickelkrakelig ausgemalte Papierbuchstaben
    HERZLICH WILLKOMMEN!
    Feierlich macht Juni die Tür auf.
    Ein frisch gemachtes Bett mit vier Beinen steht in der Ecke, Kopfkissen- und Deckenbezug passen zusammen. Ein Schreibtisch mit einer Schreibtischunterlage und einer Lampe. Ein Regal mit lauter Büchern, CDs und Heften und einer Stereoanlage. Eine Hängematte. Ein flauschiger Teppich. Ein Bürostuhl.
    »Das muss Joram noch durcheinandermachen«, sagt Juni, »damit es gemütlicher wird. Aber schön, oder?«
    Holly antwortet nicht.
    Morgen wird Joram zum ersten Mal in diesem Bett schlafen.
    Morgen können sie sagen: »Diskutieren wir das in deinem Zimmer aus oder in meinem?«
    Morgen werden sie sich im Schlafanzug sehen.
    Morgen mischt sich ihr Zahnputzschaum im Waschbecken.
    Morgen geht es los mit Vater-Zuhause.
    Vor einer Woche hätte Hollys Herz bei diesen Gedanken nicht so seelenruhig weitergeklopft. Vor einer Woche hätte eine wilde Horde aufgeregter Glühwürmchen das Zimmer beleuchtet. Vor einer Woche hätte ein Windhauch die Hängematte zum Schwingen gebracht und aus der Stereoanlage wäre Gesumm gedrungen.
    Was sich in einer einzigen Woche alles verändern kann!
    Holly merkt, wie ihr die Tränen in die Augen steigen. Wie schön wäre es, wenn es nur noch mal eine Woche dauern würde, bis diese schreckliche Gänsehaut-Sache vorbei ist! Bis Tristan wieder der netteste Phase-Zwei-Vater aller Zeiten ist!
    »Bist du jetzt schon wieder geheim?«, fragt Juni ärgerlich. »Sag doch mal: schön!«
    »Schön«, sagt Holly und wischt sich eine Träne weg. Aus der Küche hört sie Tristans Stimme und fühlt, wie sich die Härchen auf ihren Armen aufstellen.
    »Hast du Lust auf eine Papa-Paul-Geschichte?«, fragt sie schnell und nimmt Junis Hand. »Wir können uns bei Oma und Opa Eins eine Höhle bauen und da auch übernachten.«
    Juni druckst rum. »Schon wieder eine Papa-Paul-Geschichte?«, quengelt sie. »Ich will lieber mal wieder was mit allen machen.«
    »Ich auch!« Mai schiebt sich unter Jorams Bett raus. »Alle sind unfröhlich. Das ist total blöd!«
    Männerschritte kommen durch den Flur.
    »Dann geh ich eben alleine hoch«, sagt Holly und schiebt sich zur Tür raus, bevor Tristan reinkommen kann.
***
    Schon den ganzen Abend pladdert der Regen gegen die Scheiben vom Dachfenster, aber leider kühlt das den stickigen, heißen Raum kein bisschen ab. Nur in einem dünnen Nachthemd liegt Holly auf dem Sofa und starrt eine Seite in ihrem Buch an. Immer wieder blitzt und donnert es. In ein besonders heftiges Grollen mischt sich plötzlich ein leises Klopfen, die Tür geht auf, und Eva steht im Einser-Wohnzimmer.
    »Hallo.« Sie lächelt, aber es ist nicht ihr normales Lächeln. »Kommst du mit runter? Wir wollen Karten spielen.«
    Holly schüttelt den Kopf.
    Eva sieht sie an, das komische Lächeln fällt in sich zusammen. »Wie lange soll das eigentlich noch so weitergehen, Elisa?«
    »Holly«, sagt Holly matt.
    »Das ist keine Antwort.«
    Holly zieht unter ihrem Nachthemd die Beine an und schlingt die Arme um den grün geblümten Berg. »Ich weiß es doch auch nicht. Ich kann nichts dafür.«
    Eva atmet tief ein. »Kann Tristan denn was dafür? Hat er dir irgendwas getan? Soll das eine Art Strafe sein?«
    Holly schüttelt langsam den Kopf.
    »Die ganze Familie leidet, Elisa. Tristan natürlich am meisten, aber auch die Kleinen. Und Oma und Opa Eins.«
    Holly sieht auf.

    »Sie gibt es zwar nicht zu, aber Oma Eins hat die ganze Zeit Kopfschmerzen. Und Opa Eins hat seit Tagen kein Wort mehr gesprochen. Ich hab die beiden schon lange nicht mehr so bedrückt gesehen.« Eva starrt zum Dachfenster hoch. »Schon sehr, sehr lange nicht mehr.« Dann sieht sie Holly wieder an. »Und wie ich mich bei dem Ganzen fühle, kannst du dir ja denken.«
    »Ich fühl mich ja genauso übel.« Holly starrt die Blümchen auf ihren Knien an. Sie würde Eva so gerne alles erklären – wenn sie nur selbst wüsste, was los ist.

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