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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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lateinamerikanische Indios um den Frondienst für die Inkas stritten. Aristoteles zählte Arbeit ausdrücklich nicht zu den Glücksgütern wie Freundschaft, Gesundheit oder Muße, ohne die niemand seiner Meinung nach vollständig glücklich sein kann.
    Mit schlechtem Gewissen wachen wir auf, mit schlechtem Gewissen gehen wir zu Bett.
    Es war ein welthistorisch einmaliger Umerziehungsprozess: Arbeit musste von einer Last, der jeder normal denkende Mensch auswich, zu einem Bedürfnis und einer Pflicht werden, welcher die Menschen klaglos und von sich aus nachgingen. Nur so konnte aus der Subsistenzwirtschaft, die vorrangig Bedürfnisse befriedigt, allmählich und in vielen Entwicklungsstufen die Maximierungsökonomie unserer Tage werden, die auf die grenzenlose Erhöhung der Produktivität, des Konsums und der Gewinne setzt. Mit Kapitalismus hat das erst mal nichts zu tun. Marktwirtschaft und Berufspflicht sind zwei Paar Stiefel. Zum Bau der Pyramiden, der Chinesischen Mauer oder der Aufstellung römischer Legionen bedurfte es auch des Kapitals, und auf Märkten wurde seit jeher gehandelt, bevor auch nur einer auf die Idee kam, man habe dort seinen Nutzen zu maximieren. Es gab Kapitalismus ganz ohne protestantische Arbeitsethik, und es ist heute vielleicht ganz gut zu wissen, dass wir auch ohne sie wirtschaften und leben können. Aus dem Calvinismus haben sich Berufspflicht und Maximierung entwickelt. Sie gaben den Anstoß zu einer Arbeits- und Profitethik, wie wir sie heute kennen, und die sich im Industriekapitalismus radikalisiert hat. Max Weber, der diesen historischen Prozess erstmals nachzeichnete, schildert ihn in seiner ganzen Zufälligkeit, aber auch Zwangsläufigkeit: »Aus einem einst dünnen Mantel ließ das Verhängnis ein stahlhartes Gehäuse werden.« 15
    Weber war aufgefallen, dass zu seiner Zeit protestantische Länder wohlhabender und geschäftstüchtiger waren als katholische. Die Ursache erkannte er in der »protestantischen Arbeitsmoral«, die sich welthistorisch als sehr erfolgreich und zählebig herausstellen sollte. Die Calvinisten rebellierten gegen die laxen Katholiken, die nicht fromm und tugendhaft genug waren, sondern gern Karten spielten und auch mal ein Gläschen Wein tranken. Die weltabgewandte Askese überließen die Katholiken den Mönchen im Kloster. Der religiöse Eiferer Johannes Calvin war aber der Meinung, dass das ganze Leben jedes Menschen von morgens bis abends von kargen religiösen Regeln bestimmt sein müsse.
    Paradoxerweise war es der radikale Umbau des Lebens hin auf die »innerweltliche Askese«, der dazu führte, dass »die äußeren Güter dieser Welt zunehmende und schließlich unentrinnbare Macht über die Menschen gewannen, wie niemals zuvor in der Geschichte«. 16 Nach Calvin hat Gott den Großteil der Menschen von Anbeginn verdammt, nur wenige verdienen das ewige Leben (Prädestination). In ihrer großen Verzweiflung, vielleicht doch nicht zu den Erwählten zu gehören, entwickelten die Puritaner die »rastlose Berufsarbeit«. Wer arbeitet, sündigt nicht. Der Beruf ist eine »konsequente asketische Tugendübung« in Fleiß und Gewissenhaftigkeit. In jedem harten Arbeitstag, in jedem Profit zeigt sich Gottes Wohlwollen. Die evangelikalen Mega-Churches predigen heute: »Gott will, dass du reich bist.«
    Die unermüdliche Arbeit ist für den Puritaner nicht Glück, sondern Aufgabe. Sie ist, gerade weil sie Mühe und Plage ist, ein Mittel der Selbstverleugnung und der Selbstdisziplin. Sie kontrollierte sein Leben, damit er nur nie auf die Idee kam, zu faulenzen oder Freude zu empfinden.
    »Die Ungläubigen können sich ohne Rückhalt in den Taumel der irdischen Freuden stürzen«, schrieb Calvin. 17 Der Puritaner kann das nicht. Er weiß zwar sehr genau, was Muße, Freude und Glück ist, aber er zittert vor der Strafe Gottes. Sekten wie die Quäker und Shaker sind sogar nach diesem Zittern vor Gott benannt, der in der Bergpredigt jene verdammt, die sich auf der Erde wohlfühlen: »Wehe euch, die ihr jetzt sorglos lacht! Ihr werdet weinen und jammern« (Lk 6, 25). Dagegen hat nur der eine Chance auf ein ewiges Leben, der auf Erden leidet: »Selig seid ihr, die ihr hier weint; denn ihr werdet lachen« (Lk 6, 21).
    Als gottgefällig galt rastloses Arbeiten und das Reinvestieren der Gewinne, um den Ertrag zu steigern. Alles, was der Einkommenserzielung schadete, war verwerflich. Reichtum ist nur schlecht, wenn einer sich auf dem Besitz ausruht und ihn zu »Müßiggang

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