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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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liegt in den Läden zu viel Ramsch und in den Kaufhäusern zu viel Schrott, dafür gibt es zu viel irreführendes und dämliches Marketing und insgesamt zu viel Käuferfrust. Aber in der großen Erfolgsgeschichte des Kapitalismus ist das gute alte Argument von der Güterfülle, auf die wir nicht verzichten wollen, immer noch eine Trumpfkarte, die sticht. Nein, verzichten wollen wir nicht, die Auswahl ist wichtig, auch wenn die Binnennachfrage kaum noch wächst, weil die Märkte gesättigt sind, obwohl es in der reinen Marktlehre gar keine gesättigten Märkte geben kann.
    Sage mir, was du konsumierst, und ich sage dir, wer du bist.
    Als sich die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft 2009 zum sechzigsten Mal jährte, wollte die INSM den realisierten »Wohlstand für alle« gebührend feiern. Die Marktwirtschaft konnte, mitten in der Finanzkrise, lobenden Zuspruch dringend gebrauchen. Aber sich selber auf die Schulter zu klopfen, hielten wir für unglaubwürdig. Wer von seinem »Produkt« überzeugt ist, kann auch andere darüber urteilen lassen. Also schickten wir drei unabhängige Journalisten auf eine Reise quer durch die Bundesrepublik, zu Bauern, Hartz- IV -Empfängern, zu Unternehmern, Arbeitern und Promis, um ein facettenreiches Bild über die Soziale Marktwirtschaft zu zeichnen. Die Filmclips der Reisestationen stellten wir ins Internet, frei zum Kommentieren. Die Tour war abwechslungsreich, die Journalisten machten ihren Job gut, und das Ganze war alles andere als Lobhudelei. Nur ein Beitrag war wirklich vernichtend: der über den Konsum. Er hieß: »Tag 17: Denn sie wissen nicht, was sie brauchen …« Ob es Überdruss am Thema war oder ein Statement journalistischer Unabhängigkeit, der Film ließ jedenfalls kein konsumkritisches Klischee aus. Das Team war nach Haßloch gefahren, ein beschauliches Städtchen im Südwesten, das der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) als Testmarkt für die Neueinführung von Produkten und die Wirkung von Fernsehwerbung dient. Ort und Sujet waren gut gewählt, aber wie die Unterzeile war dann der ganze Beitrag: »Ist Werbung überhaupt mit der Menschenwürde vereinbar?« Er war eine Ansammlung spätmarxistischer Gemeinplätze. Die Werbung rege Bedürfnisse an, »die es von Natur aus gar nicht gibt«, was mich zur Frage veranlasste, ob es das Klavier »von Natur aus« gibt und wenn nicht, ob dann für Klavierkonzerte konsequenterweise nicht geworben werden dürfe. Der Vertreter der GfK bestätigte im Film den generellen Manipulationsverdacht, indem er sich zur Aussage verstieg, dass »alle Grundbedürfnisse gestillt« seien. Folglich werden wir zu einem Konsum verführt, den wir eigentlich gar nicht wollen. Rousseau ließ grüßen: Die böse Zivilisation zerstört das reine Selbst. Tief im Inneren ist der Mensch tugendsam und bedürfnislos, und er bliebe es, gäbe es bloß die böse Werbung nicht. Rauswerfen konnte ich den Beitrag nicht. Damit hätte ich die journalistische Unabhängigkeit des Projekts gefährdet. Ein wenig fürchtete ich aber auch, dass die taz den Beitrag bemerken und süffisant darauf hinweisen würde, dass jetzt auch schon die INSM die Exzesse der Werbeindustrie anprangere und wann wir bitte schön unsere kritische Haltung auf die Metallindustrie ausdehnen würden. Die bezahlte uns schließlich.
    Der Film blieb drin, nichts passierte.
    Später sah ich ihn mir noch mal an und kam zu dem Urteil: Gerade jene Konsumkritik, die den Menschen als Opfer von Werbeprofis und Konzernstrategen darstellt, untergräbt den Konsumismus nicht, sondern begünstigt ihn. Indem sie uns davor warnt, ein werbemanipulierter Massenkonsument zu sein, fordert sie uns auf, keinen massenkonformen, sondern einen individuellen Konsum anzustreben. Aber genau darauf zielt die Werbung des 21. Jahrhunderts. Massengeschmack ist passé, der moderne Konsumismus verspricht uns die Entfaltung des Außergewöhnlichen und die Inszenierung des Selbst. Er ist längst einen entscheidenden Schritt weiter: Der moderne Konsumismus redet uns nicht wie der alte ein, dass wir ein E-Bike, ein iPad oder ein Paar Schuhe von Christian Louboutin kaufen müssen, weil andere das auch haben. »Keeping up with the Joneses« 3 , also das Mithalten mit den Nachbarn, das Imponieren mit dem neuen, größeren Auto, Fernseher oder Italienurlaub, das gehört in die Wirtschaftswunderzeit. Damals waren die Güter »nützlich« und definierten sich über ihren Gebrauchswert. Die Waschmaschine erleichterte der

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