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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Wohnzimmer zur Straßenseite und hatte keine Gardinen vor den Fenstern. Der rechtschaffene Protestant hat eben nichts zu verbergen.
    Ähnlich denkt heute Google-Vorstandschef Eric Schmidt über den Schutz der Privatsphäre: »Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun.« 38 Das ist eine ziemlich freche Aussage für ein Unternehmen, das den Algorithmus geheim hält, der dem finanziellen Erfolg seiner Suchmaschine zugrunde liegt, und das mit unseren Daten schlicht Geld verdienen will, ohne uns zu fragen.
    Die Puritaner, die 1629 einen Gottesstaat in Massachusetts gründeten, hätten die Kontrollmöglichkeiten, die sich durch Google oder Facebook ergeben, begeistert genutzt. Gerade, dass das Internet nichts vergisst und jede Verfehlung für immer dokumentiert, hätte den Calvinisten gefallen. Für sie gab es keine »innerweltliche Erlösung«. Ihre spezifische Kombination aus Bigotterie und politischer Korrektheit hat seither viele Metamorphosen erlebt. Eine, die Verfolgung »unamerikanischer Umtriebe«, beschrieb Arthur Miller in Hexenjagd in den 1950ern. Ein wenig schwingt das im Statement von Eric Schmidt mit: Gegner von Google sind unmoralisch, weil sie offensichtlich etwas zu verbergen haben. Tatsächlich haben sie lediglich kein calvinistisches Verständnis von Privatheit. Den Zeit -Autor Harald Martenstein bedrückt diese Perspektive: »So werden wir nach und nach zu Menschen ohne Geheimnis. Sein und Schein sollen sich, einmalig und erstmals in der Geschichte, nicht mehr unterscheiden. Alles soll gut ausgeleuchtet sein, transparent. Keine Geheimsitzungen mehr, so fordern es manche aus der neuen Erfolgspartei, den Piraten. Keine Doppelmoral mehr, keine Grauzone.« 39 Nur das »erstmalig in der Geschichte« stimmt nicht, bei den Puritanern im Gottesstaat Massachusetts sollte auch schon damals alles ganz transparent sein.
    Ökoterror: Die Schuld, auf der Welt zu sein, wird der Mensch nicht los, er kann sie nur durch Askese abtragen.
    »Die Deutschen von heute glauben, freier zu sein als alle Generationen davor«, schreibt Harald Martenstein. In gewisser Hinsicht stimmt das auch. Es herrscht Meinungsfreiheit, jeder kann seinen Lebensstil frei wählen. Doch Martenstein schiebt nach: »Gleichzeitig aber stand noch nie eine Gesellschaft, die keine Diktatur ist, so sehr unter Kontrolle.« 40 Den penetrantesten Moralismus betreibt die Ökosittenpolizei. Einen riesigen Schilderwald von Vorschriften hat sie errichtet, der vieles von unserer Freiheit wieder zurücknimmt. Wir haben den Müll in bis zu sechs verschiedenen Tonnen zu trennen, auch wenn der Inhalt so mancher Wertstofftonne als Brennstoff im Ofen eines Zementwerks verschwindet. Wir subventionieren zwangsweise Windkraftwerke und Solardächer über hohe Stromkosten, und an Auflagen, wie Häuser zu dämmen oder zu renovieren seien, mangelt es nicht. 41 Sogar der Duschkopf wird vorgeschrieben, damit nicht zu viel Wasser beim Duschen verbraucht wird. Die Energiesparlampe wird ebenso zur Pflicht wie der Biosprit E10, beides übrigens reiner Aktionismus, der die Verhältnisse verschlechtert, denn die Energiesparlampe enthält hochgiftiges Quecksilber und der Biosprit zerstört die Natur.
    Wie jeder Hypermoral geht es auch der rigiden Ökomoral darum, die Menschen zu gängeln und ihnen Verzicht aufzunötigen. Es sind lauter kleine Nötigungen: Beim Reisen werden wir darauf hingewiesen, dass unsere CO 2 -Bilanz durch den Kauf von Zertifikaten ausgeglichen werden kann. Beim Kauf von Kaffee sagt man uns, dass wir den teuren, fair gehandelten kaufen sollen. Das Etikett der Jeans informiert, dass sie ohne Kinderarbeit genäht wurde. Die Anzahl der Vorschriften nimmt immer weiter zu. Stets geht es um Schuld, die wir irgendwie auf uns geladen haben und wieder abarbeiten müssen oder um Bevormundung.
    Woher kommt diese Verzichtsmoral, die die Menschen in ihrem Alltagsverhalten diszipliniert und die es versteht, den Menschen schwere Schuld gegenüber der Natur und künftigen Generationen einzureden und sie so beherrschbar zu machen? Der amerikanische Umwelthistoriker Mark Stoll ist dieser Frage nachgegangen und hat ihren puritanisch-asketischen Ursprung in einer umfangreichen Studie nachgezeichnet. Er kommt zum Ergebnis, dass »die moralische Dringlichkeit, die die Umweltbewegung antreibt, ein direktes Erbe des Puritanismus ist«. 42 Es ist kein Zufall, dass die ersten amerikanischen Umweltaktivisten

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