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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Sozialprodukt beizutragen. Und dann demütig das zu empfangen, was der Markt uns zuteilt, auch wenn es nichts ist. Der Markt hat den Rang eines Gottesurteils. In Hayeks Diktion sind Eingriffe Blasphemie, eine »Anmaßung von Wissen«.
    Der Markt hat immer recht.
    Die Parallele dieses Denkens zur Hiob-Erzählung der Bibel ist bis ins Gleichnis vom brennenden Haus offensichtlich: Satan wettete gegen Gott, dass er Hiobs Gottvertrauen erschüttern könne. Hiobs Haus brennt nieder, sein Vieh und seine Kinder sterben, bis Hiob sagt, er habe das nicht verdient. Damit klagt er indirekt Gottes gerechte Ordnung an. Das ist eine Anmaßung. Elihu belehrt Hiob (ähnlich wie Hayek uns), dass er akzeptieren müsse, was Gott ihm gibt. Wenn Hiob sein Leid hinterfragt, maßt er sich an, die Natur von Recht und Unrecht besser zu kennen als Gott. Wer also klagt, dass ihm der Markt seine Existenz genommen hat, maßt sich an, mehr zu Wissen als der unfehlbare Markt.
    Max Weber betont, dass im puritanischen Verständnis Gott diese Demut Hiobs am Ende belohnt: »Und Gott segnete hernach Hiob mehr denn zuvor, dass er kriegte vierzehntausend Schafe und sechstausend Kamele und tausend Joch Rinder und tausend Eselinnen« (Hiob 42, 12). Es gibt einen Fortschritt und eine Vorsehung, die uns belohnen, wenn wir uns dem Markt demütig unterwerfen – das ist der Kern von Hayeks puritanischer Lehre. Er fordert ausdrücklich »Demut« 38 vor dem Markt.
    Für die Puritaner war es theologisch absurd zu meinen, durch gute Werke könne der Mensch die Urteile Gottes beeinflussen. Diese stehen fest, und der weise Schöpfergott hat die Welt bereits vernünftig eingerichtet. Zur »Rettung der Seelen« mit guten Taten einzugreifen, das wäre »ein törichtes Antasten von Gottes fester Ordnung«. 39 Wir haben Gottes unveränderlichen Ratschluss demütig hinzunehmen. Auch der Markt spricht seine Urteile spontan und willkürlich. Nach Hayek wäre es eine »Anmaßung von Wissen«, seine Urteile anzutasten und etwa den Armen oder den Verlierern zu helfen. Die Opportunitätskosten könnten zu groß sein, denn die Zeit, die für die Hilfe draufgeht, könnte doch anderenorts mehr für das »Gesamtprodukt«, also den Fortschritt (die Vorsehung), leisten. 40
    Die Formel von der Effektivität vollkommener Märkte gibt sich den Anschein von Wertneutralität. Aber genau betrachtet, ist Hayek ganz der puritanischen Arbeitsethik verpflichtet. In seinem Wertesystem steht die Steigerung der Arbeitsproduktivität über allem – Arbeit als das entscheidende Zeichen göttlicher Erwählung. Hayeks Sicht auf das Gesundheitssystem illustriert das ganz gut: Das Gesundheitssystem stehe sowohl den vorübergehend kranken Erwerbstätigen als auch den chronisch, nur bedingt erwerbsfähigen Kranken zur Verfügung. Das sei eine »Fehlallokation« der Ressourcen: »Es mag hart klingen, aber es ist wahrscheinlich im Interesse aller, dass in einem freiheitlichen System die voll Erwerbstätigen oft schnell von einer vorübergehenden und nicht gefährlichen Erkrankung geheilt werden um den Preis einer gewissen Vernachlässigung der Alten und Sterbenskranken.« 41 »Fehlallokation« klingt gut. Er meint nichts anderes, als dass die Produktiven wichtiger sind als die Unproduktiven. Dass die Alten einmal in das System einzahlten und jetzt darauf vertrauen, dass die Jungen sie nicht dem Produktivitätsfortschritt opfern, passt nicht in diese Gedankenwelt. Die Gesellschaft darf keine eigenen moralischen Regeln aufstellen, die den puritanischen Arbeitswerten entgegenstehen. »There is no such thing as society, only individuals« 42 , sagte Margaret Thatcher, die Tochter eines methodistischen Laienpredigers. Es ist genau diese Blindheit gegenüber der Gesellschaft und die ignorante Arroganz, die Alexander Rüstow und die Ordoliberalen schon den Marktradikalen der 1930er Jahre vorgeworfen hatten.
    Ein Begriff von einem guten Leben fehlt Hayek völlig. Sein »System der Freiheit« ist dazu da, um zu produzieren. Die Freiheit des Einzelnen besteht wie bei jeder Theologie darin, die Gesetze des Gottes (hier des Marktes) anzuerkennen. Was produziert wird, ist egal, schon die Frage, was produziert werden soll, ist eine »Anmaßung von Wissen«, denn nur der Markt darf diese Frage stellen und beantworten. 43
    Empirie war allerdings nicht Hayeks Stärke. 44 Denn in der realen Wirtschaft ist das Gewinnstreben gar nicht unser aller Antrieb. 73 Prozent der Unternehmer gründeten ihre Firma, weil sie eine Idee

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