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Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind

Titel: Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max. A Hoefer
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Banker geschützt waren. Hayeks Version der »unsichtbaren Hand« ist der Glaube, freie Märkte bilden sich spontan heraus. Tatsächlich entstehen aber Märkte nicht spontan 30 , sondern es ist genau umgekehrt: Die Erfahrungen in Osteuropa zeigen, wie wichtig ein starker Staat ist, um freie Märkte zu etablieren und kriminelle Oligarchien zu verhindern. Naive Hayekianer meinten, in Russland werde sich von selbst, spontan, eine freie Marktwirtschaft herausbilden. Ebenso wenig spontan bildeten sich die deregulierten Finanzmärkte vor 2008 heraus, sondern wurden durch die Kooperation von Wall Street und Washington erst geschaffen. Auch der CO 2 -Zertifikatehandel hat sich nicht spontan herausgebildet, sondern wurde politisch installiert.
    Hayeks Utopie, die, wie wir gleich sehen werden, eine Variante des puritanischen Glaubens an die Vorsehung 31 ist, betrachtet das Leben als ein »Reichtum-schaffendes Spiel« 32 , bei dem »Glück und Geschicklichkeit« entscheiden, wer gewinnt oder verliert. Weil niemand den Ausgang des Spiels kennt, können wir niemandem die Schuld für ein schlechtes Abschneiden geben. Der Markt ist, so wenig wie die Natur, gerecht oder ungerecht. Der Gewinn gehört dem Gewinner und sonst niemandem: »Wie groß auch unser Mitgefühl für diejenigen sein mag«, schreibt Hayek, die verlieren, der Markt schafft nur Wohlstand ohne Eingriffe der Politik. Nur er verbindet, spontan und unsichtbar, die vielen unüberschaubaren Marktkräfte zu einem Gleichgewicht. Jeder Eingriff in den Markt stiftet nur Schaden. Vertretern von Amnesty International würde Hayek antworten, dass indische Kinderarbeiter oder das vom Rohstoffbergbau zerstörte Neuguinea notwendige Schritte auf dem Weg des Fortschritts seien, in »einem Prozess, der größer ist als wir selbst, aus dem Neues, Unvorhergesehenes herauswächst«. Eingriffe halten den Fortschritt 33 nur auf.
    Der Mensch weiß nichts, der Markt weiß alles. Entscheidet sich der Markt für Niedrigstlöhne, dann ist es gut so. Die religiösen Züge dieser »spontanen Ordnung« werden erkennbar.
    Das »Spiel des Lebens«.
    Dass Hayek populär wurde und Erhard und Eucken keine Nachfolger fanden, ist kein Zufall. Hayeks Gleichsetzung von Leben und Spiel, in dem »Glück und Geschicklichkeit« über das Schicksal jedes Einzelnen entscheiden, liefert dem Turbokapitalismus schlicht die passendere Rechtfertigung. Die heutige Wall Street ist mit Casino-Kapitalismus gut beschrieben. Dass der Finanzsektor der Realwirtschaft zu dienen habe, wie noch zu Erhards Zeiten, ist zu einer positiven Utopie geworden. In der Perspektive der Spieltheorie, die dem casino-kapitalistischen Finanzgebaren zugrunde liegt, sind Leistung und Kompetenz zweitrangig, was zählt, ist allein der Erfolg. Alle sind Spieler, die ihre Ressourcen einsetzen und sich diverser Tricks bedienen und eben auch Glück haben müssen. Egal, welche Leistung einer bringt oder welche Einstellung einer hat, feste Kriterien, etwa, dass Banken der Volkswirtschaft dienen oder keinen übertriebenen Renditedruck ausüben sollten, gibt es nicht mehr, nur der Markterfolg zählt, und er definiert auch, was wir wollen sollen.
    Wer gewinnt, hat den Gewinn auch verdient, sonst hätte er nicht gewonnen. Das ist Hayek pur. »Es ist eine puritanisch-calvinistische Gnadenlehre ohne Gott und ohne Gnade«, urteilt Manfred Prisching. 34 Manche, wie die Jungs von Goldman Sachs, helfen der Glücksgöttin ein wenig nach, aber die Vorstellung der Gesellschaft als Spiel hat sich nach langer Überzeugungsarbeit der Ökonomie durchgesetzt. Der Markt ist an Gottes Stelle getreten. Er verleiht Gnade. Er rechtfertigt alles. Mit Sozialer Marktwirtschaft hat ein Hayek wenig am Hut: »Weil wir alle im Kosmos des Marktes ständig Wohltaten empfangen, die wir in keinem Sinn moralisch verdient haben, sind wir verpflichtet, gleichermaßen unverdiente Einkommensminderungen ebenfalls hinzunehmen.« 35 Dem Markt haben wir zu dienen, er hat unser Leben unhinterfragt zu bestimmen, die Politik darf die Verlierer nicht schützen: »Wir haben kein Recht darauf, dass unsere Häuser nicht niederbrennen …, dass unsere Produkte oder Dienste einen Käufer finden, noch darauf, dass wir mit irgendwelchen bestimmten Gütern oder Diensten versorgt werden.« 36 Im Gegenteil, wir haben uns so zu verhalten, »dass wir das Gesamtprodukt, von dem wir einen unvoraussagbaren Anteil erhalten, so groß wie möglich machen«. 37 Unsere heilige Pflicht ist es, zu einem größeren

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