Vielleicht will der Kapitalismus gar nicht, dass wir gluecklich sind
des Mädchens: Katzenberger ist ein wöchentliches Erklärvideo zu unserer Bluffgesellschaft. Ihre Künstlichkeit ist einerseits Show, andererseits authentisch. Gerade junge Frauen lernen am Beispiel der Barbie-ähnlichen Katzenberger, dass der Körper selbst zu einer Option geworden ist.
Man muss ihn gestalten, man kann ihn verbessern, man kann ihn manipulativ einsetzen, besonders bei Männern, und man kann ihn zu Geld machen. Sei schlau. Stell dich dumm , heißt ihr persönliches Bluffrezept. Die Kamera begleitet sie ins Tanz- und Tonstudio, in die Restaurantküche und zu allen möglichen alltäglichen und außeralltäglichen Situationen, die sie mal naiv reflektiert, mal ironisch kommentiert. Soll sie den Filmleuten glauben, die ihren Auftritt gut fanden? Mit Katzenberger erhält der Zuschauer einen Einblick in die Manipulationsinstrumente der Film-, Mode- und Musikbranche. Er lernt das Bluffen.
Das gespielte Leben: Freude und Spaß sind mehr Kulisse als Inhalt.
Auch Katzenbergers Aufstiegsgeschichte ist, ähnlich wie die vieler Castingshow-Kandidaten, eine Variante des Alles-ist-möglich-Traums. Gerade weil Katzenberger nur mittelmäßig aussieht und schlecht singt, erscheint ihr Starruhm für die vielen, die nach narzisstischer Grandiosität suchen, umso erreichbarer: Du kannst alles sein oder werden, was immer du nur willst, wenn du weißt, wie man richtig blufft. Jeder kann ein Restaurant eröffnen, jeder kann modeln oder schauspielern, völlig unabhängig von Talent oder Kompetenz. Als Pokerspieler kann man bei Günther Jauchs Quiz eine Million gewinnen, wenn man den richtigen Dreh kennt.
Einfach ist dieses Leben nicht. Freude und Spaß sind mehr Kulisse als Inhalt. Katzenberger ist dauernd unterwegs und muss sich disziplinieren. Es fällt ihr schwer, und das macht sie sympathisch, denn das permanente Körperstyling ist aufwändig: Der Körper muss blitzblank und geschminkt sein, er muss schlank sein und trainiert werden, damit er fit ist, und zwar mit modernen Methoden und Geräten. Er muss geformt und verschönert werden. Allein die Körperbehaarung ist zu einem wichtigen Teilbereich der Selbstverwirklichung geworden. Augenbrauen aufmalen oder tätowieren, Ganzkörperenthaarung, Perücken oder Extensions?
Die Ernährung ist das Nächste. Was noch vor vierzig Jahren völlig unproblematisch war, ist zu einer Wissenschaft geworden: laktosefreie Milch, glutamatfreie Pizza, probiotisches Joghurt. Der Hedonismus ist so freudlos und kompliziert geworden, dass man besser von einem Masochismus spricht. Am anstrengendsten ist das Inszenierungsspiel selbst, denn alle Beteiligten wissen um das Spiel und setzen voraus, dass das Image des anderen ein Bluff ist, auf den man mit einem Gegenbluff reagieren muss.
So lebt beispielsweise die Filmbranche immer noch von dem Image, dass hier kreative Künstler entspannt und leicht zugekokst ein exzessives Leben mit viel Sex am Set führen. »Das ist eine Illusion, die nach vorne verkauft wird, hinten aber überhaupt nicht mehr stattfindet«, beschreibt der Medienprofi Thomas Hermanns die Diskrepanz zwischen Realität und Fake. 1 Film und Fernsehen sind heute sehr diszipliniert und sehr arbeitsam und meilenweit entfernt von dem hedonistischen Paradies, das es bei Federico Fellini oder Marcello Mastroianni einmal war. Im Popmusik- und Werbegeschäft ist es nicht viel anders. Leichtigkeit kann durch den Erfolgs- und Budgetdruck gar nicht mehr aufkommen, also wird sie gespielt.
Nichts ist so gemeint, wie es aussieht, und Festlegungen sind nur lästig.
Während Katzenberger die Bluffschule für die breite Masse mit Realschulabschluss verkörpert, sind die Hipster die Bluffer mit Abitur und Mittelschichtseltern. Die ARD -Stars Joko und Klaas repräsentieren diese Jugendkultur. Auch hier steht die Maskerade an erster Stelle: Seitenscheitel und Schnauzbart. Röhrenjeans und abgetragene Sakkos. Die Einrichtung besteht aus Vintage-Möbeln. Die dicke Nerdbrille gehört dazu und nicht dazu, denn anfangs fanden Hipster Brillen derart uncool, dass, wer sie trug, nur unheimlich cool sein konnte. Jetzt ist die Nerdbrille so angesagt, dass sie schon wieder out ist. Es geht darum, Individualist zu sein und gleichzeitig konform, permanent alles zu hinterfragen und die Karriere zu planen, um die kalkulierte Normverletzung, die nur zum Schein opponiert und doch alles mitmacht, wenn es nützlich ist. Hipster definieren sich über Konsum, nicht durch tatsächliches Handeln. 2 Es ist ein
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