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Vier Äpfel

Vier Äpfel

Titel: Vier Äpfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wagner
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Flaschen oder Dosen nebeneinander, die bekannteren unter ihnen zeichnen sich dadurch aus, daß ich sie unter Wasser auch ohne Taucherbrille sofort erkennen könnte. Das mehrfache Vorhandensein im Regal, die Wiederholungenim Muster beruhigen das Auge, und ich weiß, darauf kann ich mich verlassen, es stehen immer noch vier oder fünf oder mehr Verpackungen oder Flaschen oder Dosen hinter denen in der ersten Reihe, eigentlich bewege ich mich durch ein großes Lager, und es ist, wie beruhigend, genug da. Selbst wenn ich nicht alles nach Hause tragen kann, ich werde nicht verhungern.
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    Bleiben von einem Leben am Ende bloß ein paar Einkäufe übrig? Leere Marmeladengläser, die nicht in die Altglastonne geworfen, sondern für einen unbestimmten Zweck aufgehoben wurden? Papier, in dem Schinken eingewickelt war, abgespülte Deckelfolien von Joghurtbechern in einer Tüte? Ein paar Kassenzettel, auf denen steht, was man wann und wo eingekauft hat?
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    Eines Tages, da bin ich mir sicher, wird mein Einkaufswagen von alleine fahren, werde ich auf einem zwischen den Hinterrädern angebrachten kleinen Trittbrett durch die Gänge transportiert. Wahrscheinlich gibt es das längst irgendwo, selbstfahrende Einkaufswagen für Gehbehinderte und Rentner. Die Konstruktion müßte diesen skateboardartigen Kinderwagenanbauten ähneln, auf denen drei- oder vierjährige Kinder, die zu klein oder zu faul zum Laufen sind, sich mit ihren jüngeren Geschwistern mitschieben lassen. Ein selbstfahrender, mitdenkender, intelligenter Einkaufswagen könnte mich mit weiblicher Stimme schon am Eingang begrüßen, meinen Namen sagen und durch denSupermarkt lotsen, die Navigationssysteme in den Autos haben einen an so etwas gewöhnt. Er würde mich zu denjenigen Angeboten leiten, die mich tatsächlich interessieren, und daran erinnern, daß ich zum Beispiel Kaffeefilter brauche, weil er sich gemerkt hätte, wie lange mein letzter Kauf einer Packung her ist, und nachrechnen könnte, wann sie zur Neige geht. 32 Dem Einkaufswagen der Zukunft wird es möglich sein, alles, was ich in ihn hineinlege, sofort zu identifizieren, er wird die Etiketten lesen können, weil in ihnen kleine Sender stecken, die alles über die Produkte, auf denen sie kleben, verraten. Vielleicht trage selbst ich dann einen Empfänger im Ohr, mit dem ich eine Mango sagen höre, ich bin eine Mango, ich komme aus Thailand und bin vor fünf Tagen gepflückt worden. Vielleicht sagt sie das dann sogar mit einer fernöstlich-asiatischen Schwingung in der Stimme oder mit einer Südseefärbung, die mir sofort einen Gauguin vor Augen führt. Vielleicht werde ich mit diesem Empfänger auch die Milch sagen hören, hier spricht deine Milch, ich komme vom Biobergbauernhof der Familie Aumüller, von einer Kuh, die Alma heißt, aber ich bezweifle, ob ich das wirklich so genau wissen will.
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    Plötzlich kommt eine stark geschminkte ältere Frau auf mich zu und fragt, wo sie hier Öl finden könne. Öl? Ich kann nicht sofort antworten, weil ich ganz fasziniert auf ihre aus fünf oder sechs Perlenketten geknotete, ihr lockerum den Hals liegende Damenkrawatte starre. Speiseöl? Ich hebe meinen Arm, zeige den Gang hinunter und sage: Öl ist wohl dahinten links, glaube ich, oder im Gang daneben. Keine sehr genaue Auskunft, trotzdem bedankt sie sich überschwenglich, dabei höre ich heraus, daß sie wohl Russin ist, wahrscheinlich war sie noch nicht oft in diesem Supermarkt. Ich erinnere mich, daß L. sich über meine Unfähigkeit, jemanden nach dem Weg zu fragen, oft lustig gemacht hat. Mir fiele es niemals ein, eine mir unbekannte Person nach Speiseöl oder was auch immer zu fragen, lieber gehe oder fahre ich viermal knapp am Ziel vorbei, als mich einmal zu erkundigen. Waren wir gemeinsam unterwegs, übernahm immer L. das Fragen und erhielt in den meisten Fällen freundlich Auskunft. Du stellst dich an wie ein Baby, spottete sie, was mich nicht besonders traf, denn Babys haben oder finden ja immer jemanden, der sich um sie kümmert, schließlich hatte auch L. mich angesprochen, damals, im Schreibwarenladen, und behauptet, wir hätten zusammen studiert. Sie selbst haßte es, in Geschäften von Verkäuferinnen angesprochen zu werden, und wollte nicht, daß man ihr half, sie fühlte sich dann immer gleich ertappt. Viel lieber stöberte sie unbeäugt und unbehelligt durch Kleidergeschäfte und die entsprechenden Abteilungen der Kaufhäuser, stundenlang. Es wäre allerdings falsch zu sagen, sie brauchte

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