Vier Äpfel

aus meinen leeren Flaschen Molotowcocktails zu basteln, obwohl es durchaus eine reizvolle Vorstellung ist, auf dem Balkon zu stehen und benzingefüllte und mit brennenden Lappen umwickelte Flaschen auf unten vorbeifahrende Geländewagen oder andere Angeberautos zu werfen, in denen diejenigen sitzen, die ich für die Bösen halten möchte. Wenn es bloß so einfach wäre. Interessanterweise versucht man meine zwiespältigeHaltung zur Pfandflaschenrückgabe hier im Supermarkt auszunutzen, denn seit einiger Zeit hängt gleich neben dem Automaten ein Plexiglaskasten, in den ich die vom Rückgabeautomaten ausgedruckten Pfandbons einwerfen könnte, um die darauf verzeichneten Beträge für einen wohltätigen Zweck zu spenden. Ich habe das allerdings noch nie getan.
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    Der Supermarkt hat mich an mich selbst ausgesourct, ich könnte fast sagen, ich arbeite hier. Hätte ich heute Pfandflaschen dabei, ich müßte jede einzeln, mit dem Boden voran, in den Tunnel des Pfandautomaten schieben, warten, bis der Scanner ihre Kennzeichnung erkannt und akzeptiert hätte, und auf den Pfandbon warten. Ich arbeite als Leergutsortierer, ich wiege meine Äpfel, laufe als mein eigener Laufbursche durch die Gänge und suche mir, was ich brauche, selbst zusammen. Genau das war Saunders’ revolutionäre Idee, die er in seinem Piggly Wiggly Supermarket 34 verwirklicht hatte: den Kunden alles selbst machen zu lassen.
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    In einem Einkaufswagen, der verlassen im Gang steht, sehe ich einen offenen Eierkarton. Ich glaube, ich habe noch nie so schöne, so natürlich und so echt wirkende Eier gesehen, sie müssen von sehr glücklichen Hühnern stammen. Auf ihrer unversehrten, braunen Schale glänzen dunkle Einsprengsel, eine behutsame Hand wird sie erst heute morgen aus dem Stroh eines kleinen Hühnerstalls herausgeholt haben, der sicher jede Nacht der Füchse und Marder wegen verschlossen werden muß. Ich möchte sie haben, diese Eier, am liebsten nicht nur sie, sondern den ganzen Wagen, in dem noch andere Dinge liegen, die mir auf einmal viel verlockender und begehrenswerter erscheinen als die Produkte in meinem eigenen. Hier hat jemand ein Stilleben geschaffen, hat vier dicke Kartoffeln einfach so, ohne sie in einer Plastiktüte zu ersticken, auf dem Boden des Wagens neben je einem Bund Petersilie und Schnittlauch sowie zwei Packungen Biofrischkäse arrangiert. Deren schlicht-weiße, nur mit vier roten Vichykaros verzierte Deckelfolien passen perfekt zu den Kräutern und den Kartoffeln. Sie sehen aus, als wären sie eigens für dieses Einkaufswagenbild entworfen worden.
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    Als ich vor den Haarpflegeprodukten stehe, muß ich daran denken, daß L. immer Shampon und nicht Shampoo oder Haarwaschmittel gesagt hat. Sie hat auch, ich weiß nicht, woher sie das hatte, Pyjama und nicht Schlafanzug gesagt und noch andere Wörter verwendet, die ich nie verwendet hätte. Shampooflaschen, Haarkuren und Haarfestiger stehen so dicht im Regal, daß sie vor meinen Augen zu einem einzigen, großflächig gescheckten Mosaik aus Haarpflegeprodukten verschwimmen, nirgends eine Lücke, Lücken sind in Supermarktregalen verboten, im Supermarkt herrscht Fülle, überall muß etwas stehen.Die Shampooflaschen eines Herstellers haben verschiedene, wenngleich verwandte Farben, weil jeder Hersteller auf eine eigene Farbskala setzt. Die Flaschen verschiedener Hersteller unterscheiden sich aber nicht nur farblich, sondern auch durch ihre Form. Es gibt schlanke mit ovaler Grundfläche, und es gibt bauchige, andere erinnern an Likörfläschchen, und immer mehr haben eine asymmetrisch-organische Gestalt. Es gibt schlichte, durchsichtige Flaschen, die nur die Farbe ihres Inhalts und dessen Versprechen vom schönen Haar präsentieren, und andere, die mit Abbildungen von Kräutern, Heilpflanzen oder Früchten prunken. L. hat einmal behauptet, aber vielleicht war das gar nicht sie, vielleicht schreibe ich ihr jetzt, im nachhinein, bloß alles zu, daß die Formen, deren sich eine Kultur zu einer bestimmten Zeit bediene, immer im Einklang mit ihrem geistigen Klima stünden. Das hieße, daß sich der Geisteszustand unserer Kultur auch an Flaschen- und Dosenformen unserer Haarpflegeprodukte ablesen lassen müßte. Nicht so gut, denke ich, als ich lese, was auf den Etiketten steht:
Total Repair Spülung
,
Milde & Balance Therapy
,
Haar-Anfüller
,
Lift & Definition
,
Color & Care
,
Repair & Pflege
. Es scheint ziemlich viel kaputt zu sein, wo so viel Reparatur, Therapie und Pflege