Vier Arten, die Liebe zu vergessen
tröstlichen Aussage.
»Danke«, sagte Michael und gab dem Herrn zehn Euro Trinkgeld. »Ich
verlasse mich auf Ihre Autorität.«
»Seien Sie deren gewiss«, sagte der Portier, jetzt ebenfalls
lächelnd, vielleicht weil es selten vorkam, dass ein Gast seinen Sound zu
schätzen wusste und nicht irritiert oder gar verärgert darauf reagierte.
~
»Der hat sich gradaus volllaufen lassen«, sagte Wagner,
»als hätt erâs eilig gehabt damit. Ich hab nach dem vierten Glas aufgehört
mitzuzählen.«
»Macht er das schon lange?«
»Keine Ahnung. Ich hab ihn heut das erste Mal seit mindestens zehn
Jahren wiedergesehen. Dass er nicht mehr bei der Bank ist, sondern jetzt Häuser
vertickt, hab ich auch nur mit halbem Ohr mitgekriegt, als er das dem Dröscher
lang und breit aufs Brot geschmiert hat.«
Sie parkten wieder am Marktplatz und gingen zu Fuà zu Emmis Haus,
das jetzt Angelas Haus war, zurück.
»Was machst du eigentlich?«
»Antiquitäten.«
»Du machst Antiquitäten? Das klingt mir aber nicht nach dir. Zu
schlawinerhaft. Du bist doch der bravste Mensch aller Zeiten.«
»Nein, ich mache sie natürlich nicht, ich handle mit ihnen. Genau
genommen entdecke ich sie nur für einen Händler und vermittle dem die
Verkäufer. Also auch so was Ãhnliches wie Makeln.«
»Und wo? Bist du noch in Berlin?«
»Nein, schon lang nicht mehr. Ich lebe seit neun Jahren in Venedig.«
»Venedig? Oh je!«
»Oh je? Was soll das denn heiÃen?«
»Das ist doch nur noch ein einziges Disneyland.«
»Wann warst du denn zum letzten Mal dort?«
»Vor neunzehn Jahren. Auf unserer Hochzeitsreise.«
»Und woher weiÃt du dann, wie es jetzt ist?«
»Ich lese Zeitung.«
»Selber gucken macht schlau. Komm mich besuchen. Ihr könntet alle
kommen. Platz gibt es da genug. Wenn du die anderen einsammelst, seid ihr meine
Gäste. Dann holen wir das hier Versäumte nach und reden mal wieder
miteinander.«
»Hast du die Adressen von Bernd und Thomas?«
»Nein. Angela hat sie. Sonst wären wir ja nicht hier.«
»Gib mir auf jeden Fall mal deine.«
Wagner fummelte ein Oktavheftchen aus der Brusttasche seines
Jacketts und schrieb seine Adresse auf. Dann riss er den Zettel ab und reichte
ihn Michael. Der stand auf und gab ihm eine Karte.
Das verlorene Häufchen, das bis jetzt durchgehalten hatte, machte
den Eindruck, als wolle es sich von Michaels Abgang inspirieren lassen und
ebenfalls aufbrechen, aber eine resolut wirkende Frau schenkte allen noch
WeiÃwein in die Gläser und unterdrückte damit den Impuls. Noch immer keine Spur
von Angela. Und auch keine von Bernd.
»Ich hau jetzt ab«, sagte Michael.
»Ich warte noch, bis Angela wieder auftaucht«, sagte Wagner und sah
sich unschlüssig um, ob da noch irgendwer als Gesprächspartner infrage kam.
»Grüà sie von mir. Ich muss los, sonst krieg ich mein Flugzeug nicht
mehr und kann mir die Nacht in München um die Ohren hauen. Das verlockt mich
nicht.«
»Klar«, sagte Wagner, »machâs gut. Ich melde mich.«
~
Schon beim Einsteigen in den Wagen nahm sich Michael diese
spontane Einladung übel. Er brauchte keinen Besuch. Schon gar nicht diese drei
Herren, die einander so offenkundig nichts mehr zu sagen hatten und womöglich
bei der ersten Gelegenheit Streit bekämen. Was hatte er mit denen zu schaffen?
Sie waren ihm so fremd, wie ihm nahezu jeder Mensch inzwischen fremd war. Mit
Ausnahme vielleicht von Erin. Und Serafina, seiner Nachbarin. Und Ian, seinem Geschäftspartner.
Und Emmi vielleicht, aber die war tot, und er hatte sich seit vielen Jahren
nicht mehr bei ihr gemeldet.
Und ein paar Kilometer weiter nahm er sich auch seinen Mangel an
Manieren übel. Einfach so abzuhauen war nicht in Ordnung. Er fuhr rechts ran
und rief Angelas Handynummer an. Ihre Stimme klang aufgeregt.
»Angela? Michael hier. Ich wollte mich verabschieden, aber ich hab
dich nicht mehr gefunden.«
»Ja, ich bin in der Tierklinik.«
»Was ist los?«
»Sarah hat eine verletzte Katze gefunden. Bernd hat uns
hierhergefahren. Jetzt gerade kümmert sich der Tierarzt um das arme Vieh. Ich
nehm mir gleich ein Taxi und fahr zurück zum Haus. Sind noch Gäste da?«
»Ja. Ein paar.«
»Drück der Katze die Daumen, ja? Sie sieht schlimm aus.«
»Mach ich.«
»War schön,
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