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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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dass ihr gekommen seid.«
    ~
    BERND ließ es sich nicht
anmerken, aber er kam kaum über die Enttäuschung hinweg. Sarah hatte ihn
geküsst mit koketter Wildheit, die er ihr zwar nicht ganz abnahm, aber genoss,
ihre Hand hatte schon fast an der richtigen Stelle gelegen, als sie tief genug
im Wald gewesen waren – es ging eigentlich nur noch darum, den richtigen Platz
zu finden, da sah sie dieses arme Tier, das immer ein paar Meter auf drei
Beinen vorwärtskam und dann wieder erschöpft liegen blieb. Die Katze blutete an
der Flanke, ein Hinterbein war lahm, das andere hatte eine schlimme Wunde.
Jemand hatte auf sie geschossen, sie war in eine Falle geraten oder von einem
anderen, größeren Tier so zugerichtet worden.
    Als Sarah sie anfassen wollte, fauchte die Katze und robbte ein
Stückchen weiter. Es war ein herzzerreißender Anblick. Und alle Erotik, das
Vogelzwitschern, der Duft des Waldes, der von Sarahs Haar, der samtige Ton
ihrer Stimme, das fiebrige Tasten ihrer Hände an seinem Körper – alles hatte
sich verflüchtigt und war dem Elend dieser Kreatur gewichen.
    Sarah bat ihn, das Auto zu holen, und er rannte, solange sie ihn
sehen konnte, dann ging er mit immer noch eiligen Schritten zum Haus, bat
Angela um eine Decke und erklärte ihr, worum es ging, woraufhin sie das Messer,
mit dem sie gerade Apfelkuchen geschnitten hatte, zur Seite legte und mit ihm
in den Mercedes stieg.
    Es war ein grauenhaftes Geräusch, die Katze schrie und fauchte,
während Sarah sie beherzt hochnahm und auf die Decke auf dem Rücksitz legte.
Sarah setzte sich nach hinten, Angela zu Bernd nach vorne und wies ihm den Weg
zur Tierklinik in der Nachbarstadt.
    Jetzt wurde die Katze operiert, und Sarah stand mit ihm vor dem
Eingang der Klinik, hielt seine Hand, und sie sahen gemeinsam dem Taxi
hinterher, das Angela zurück zu den Trauergästen brachte.
    Â»Hast du ein Hotel?«, sagte sie. »Bleibst du hier?«
    Â»Ich nehme mir nachher ein Zimmer«, sagte er.
    Er hoffte, ihre Frage sei so zu verstehen, dass sie ihn in der Nacht
besuchen würde. Falls die Katze starb.
    Â»Danke, dass du so hilfst«, sagte Sarah und drückte seine Hand.
    Â»Ist doch klar«, sagte er.
    ~
    WAGNER war froh, endlich
wieder ein bekanntes Gesicht zu sehen, als Angela aus dem Taxi stieg. Siggi
hatte sich längst auf den Weg gemacht, die beiden anderen Klassenkameraden
ebenfalls, die vier kurzhaarigen Frauen mittleren Alters, die jetzt noch da
waren, ignorierten ihn, und er kam sich deplatziert vor, ein bisschen
lächerlich, so als müsse man ihn für die Klette halten, die nicht begreift,
wann Schluss ist.
    Er wusste schon, dass Schluss war, die Feier war vorbei, aber er
wollte nicht nach Hause, nicht zurück zu Corinnas zorniger Rechthaberei und
Adrians verächtlicher Selbstsicherheit, die zwar gespielt war, aber dennoch ihr
Ziel nicht verfehlte, ihn, seinen Vater, dumm aussehen zu lassen. Die beiden,
Mutter und Sohn, waren übereingekommen, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit
als Trottel hinzustellen, mal humor- und scheinbar liebevoll, mal mit aller
verletzenden Herablassung, die ihnen zu Gebote stand.
    Corinna war nicht in Island. Wagner hatte gelogen. Er musste ihre
Abwesenheit ja irgendwie begründen. Dass sie einfach keine Lust gehabt hatte,
»die alte Krähe« zu Grabe zu tragen und »ihrer eingebildeten Tochter« Beileid
zu heucheln, behielt er lieber für sich.
    Â»Hast du Bernd irgendwo gesehen?«, fragte er Angela, obwohl er
eigentlich nicht auf die offensichtliche Liebelei anspielen wollte – er hatte
mitbekommen, dass sie davon nicht begeistert war.
    Â»Der ist mit Sarah in der Tierklinik. Die haben eine verletzte Katze
hingebracht und warten jetzt auf den Ausgang der Operation.«
    Â»Ich helf dir«, sagte er, als Angela begann, das Geschirr
abzutragen, und mit einem Stapel voller Teller auf dem Weg zur Küche kam ihm
die rettende Idee: Er musste doch hierbleiben! Es ging ja gar nicht anders. Er
musste sich doch um Thomas kümmern. Der war hilflos in seinem Vollrausch und
brauchte einen Freund, wenn er daraus erwachte. Wagners Stimmung hob sich.
    ~
    THOMAS hatte Durst. Er wusste
nicht genau, wo er sich befand, aber er erkannte eine Minibar, wenn er eine
sah. Er nahm das Zwergenfläschchen Whisky heraus und leerte es. Es brannte ein
bisschen, aber nicht genug. Da gab es auch noch ein Bier, das leerte er
ebenfalls, während er

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