Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
liegen und genoss es,
nichts mehr tun zu müssen. Ab jetzt ist alles freiwillig, hatte er gesagt, als
die erste siebenstellige Zahl auf seinem Kontoauszug zu sehen gewesen war.
    Cherchez la femme, dachte Michael, ich bin gespannt, wann ich Ians
neuen Lebensinhalt endlich mal kennenlernen darf.
    Bei Serafina brannte kein Licht mehr, und als Michael im Studio
Computer und Peripherie ausgeschaltet hatte, lag alles wieder auf die richtige
Art am richtigen Platz.
    Irgendwann hörte er noch Wagner und Bernd nach Hause kommen und noch
etwas später, im Halbschlaf oder schon im Traum, wie Thomas schweren Schritts
nach unten torkelte, um vermutlich mit den Kleidern ins Bett zu fallen.
    ~
    Â»Der frühe Vogel«, sagte Michael, als er Wagner am
gedeckten Frühstückstisch sitzen sah, eine Süddeutsche Zeitung vom Vortag vor
der Nase und einen Espresso in Reichweite.
    Â»Fängt den Wurm«, sagte Wagner, ohne aufzuschauen, »ich hab frische
Brötchen und neuen Kaffee gebracht. Ich hoffe, der ist recht.«
    Â»Hab ich schon gesagt, dass du öfter kommen darfst?«
    Â»Ich glaube ja.«
    Wagner schien doch nicht der Geizhals zu sein, für den Michael ihn
gehalten hatte, denn er hatte den teuren Illy gekauft und nicht eine der
billigeren Marken.
    Â»Was sagen die Leute hier eigentlich zu Berlusconi?«, fragte Wagner,
immer noch ohne den Blick von der Zeitung zu wenden.
    Â»Das weiß ich nicht«, sagte Michael.
    Â»Redest du nicht mit den Eingeborenen?«
    Â»Doch, aber ich frage sie nicht, ob sie ihren Regierungschef so
peinlich finden wie ich.«
    Â»Wieso nicht?«
    Â»Das ist unhöflich. Ich bin nicht unhöflich.«
    Wagner schüttelte den Kopf, fragte aber nicht weiter. Michael machte
sich einen Cappuccino und für Wagner gleich einen mit.
    Unterdessen hatte sich auch Bernd eingefunden, den Sport- und
Wirtschaftsteil von Wagners Zeitung verlangt und erhalten und saß nun ebenso
anwesend-abwesend am Tisch, ließ sich Cappuccino servieren und den Blick über
die Brötchen, die Marmeladen, Käse, Schinken, Salami schweifen. »Ein Ei wäre
nicht schlecht«, sagte er.
    Â»Gebraten, gekocht, im Glas, im Becher, pochiert?«
    Â»Gekocht. Im Becher.«
    Michael setzte Wasser auf und nahm die Schachtel mit den Eiern aus
dem Kühlschrank. Als das Wasser kochte, kam auch Thomas herein, schaute Wagner
über die Schulter, wollte aber nichts von der Zeitung abhaben. »Ein paar Tage
ohne den Scheiß tun mal ganz gut«, sagte er, »klüger werd ich sowieso nicht
davon.«
    Â»Du vielleicht nicht«, sagte Wagner spitz, aber Thomas ließ sich
nicht auf ein Geplänkel ein, sondern setzte sich und griff nach dem Cappuccino,
den Michael ihm ungefragt servierte.
    Â»Jeder ein Ei?«, fragte Michael.
    Â»Haben oder wollen?«, kam es hinter dem Sportteil hervor.
    Â»Was?«
    Â»Haben tun wir hoffentlich alle zwei«, erklärte sich Bernd jetzt genauer, »wollen tu zum Beispiel ich
nur eines.«
    Â»Bernd, das ist ein übler Quälwitz«, sagte Michael und ließ, da
niemand sonst sich zu einer Bestellung oder Konkretisierung seiner Wünsche
durchrang, vier Eier ins kochende Wasser gleiten.
    Â»Ich dachte, wär lustig«, sagte Bernd, »dann halt nicht.«
    Das Frühstück verlief in dem typischen, scheinbar mürrischen, in
Wirklichkeit aber einfach nur gelassenen Schweigen, mit dem sich Männer auf der
ganzen Welt in den Tag hineintasten. Wenn sie unter sich sind und nicht
eloquent sein müssen.
    Michael gefiel dieses Schweigen. Es war vertraut. So waren ihre
Frühstücke auch früher verlaufen, wenn sie auswärts gastiert und im Hotel
übernachtet hatten oder in Wohnungen, deren Besitzer schon zur Arbeit gegangen
waren.
    Irgendwann griff Bernd nach dem kleinen Sattelschlepper auf dem
Küchenfensterbrett hinter sich und fuhr ein bisschen damit auf und ab.
    Â»Finger weg«, sagte Thomas, ohne hinzusehen, »das ist meiner.«
    Â»Eher Michaels inzwischen, oder?« Bernd ließ das Spielzeugauto los
und griff sich die Mandoline, die daneben lehnte.
    Â»Unserer«, sagte Michael und merkte, dass er gerührt war. Thomas
hatte den kleinen Laster registriert. Das einzige Relikt, eigentlich sogar eine
Reliquie ihrer Freundschaft als Kinder.
    Bernd klimperte, nachdem er das Instrument gestimmt hatte, zuerst
wahllos darauf herum, dann fand er eine Figur, die ihm gefiel, und es schien,
als wolle er

Weitere Kostenlose Bücher