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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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wolle er damit das Ende der
Inquisition demonstrieren, und sagte: »Ich weiß, dass du es auch nicht
wusstest.«
    Thomas nahm sein Blatt auf und wollte schon ausspielen, da sagte
Bernd: »Ist dann damit die Anklageerhebung abgeschlossen?«
    Â»Würde dir so passen«, sagte Wagner, und jetzt hörte man ohne jeden
Zweifel, dass er seine Inszenierung genüsslich in die Länge zog und vermutlich
innerlich schon etliche Male durchgespielt hatte. »Der letzte Punkt fehlt
noch.«
    Bernd fiel in sich zusammen. Michael spürte außer dem erneuten (und
jetzt viel stärkeren) Lachreiz nun auch noch so etwas wie Respekt für Wagners Timing
und psychologische Raffinesse. An dem war ein Drehbuchautor verloren gegangen.
    Â»Schuldig«, sagte Bernd und vermied es, von seinen Karten
aufzublicken.
    Â»Man könnte bei dir ja auch auf verminderte Zurechnungsfähigkeit
plädieren«, fand Wagner, und es klang wieder gnädig. Allerdings war in die
Gnade auch ein Gutteil Hochmut gemischt. »Von dir weiß jeder, dass du alles
fickst, was Puls hat, vielleicht kannst du nichts dafür.«
    Â»Woher weißt du das eigentlich?«, fragte jetzt Thomas, der sich von
dem Schrecken erholt zu haben schien und kaum noch Anzeichen von Zerknirschung
an den Tag legte.
    Â»Von Corinna.«
    Sie spielten schweigend zu Ende, und erst als Bernd das Spiel
notierte, fragte er: »Wieso sagt die dir das?«
    Â»Das war in einem Moment, als sie mir mal so richtig wehtun wollte«,
sagte Wagner, und jetzt klang er nicht mehr zufrieden oder herablassend – man
hörte seiner Stimme an, dass Corinna damit Erfolg gehabt hatte.
    Â»Tut mir echt leid«, sagte Thomas.
    Â»Ihr könnt ja gar nichts dafür. Am Anfang hab ich euch gehasst – ich
glaube, das war so was wie der Nebenplan von Corinna, sie wollte, dass ich euch
nicht so in den Himmel hebe, dann habe ich aber kapiert, dass sie diejenige
war, die es gewollt und getan hat. Euch hat sie nur dazu benutzt. Wozu auch
immer. Verstanden hab ich’s nie. Ihr Gerede von dem Abschluss einer Lebensphase
klang für mich völlig absurd.«
    Â»Mir tut’s übrigens auch leid«, sagte Bernd.
    Â»Ist sowieso verjährt«, sagte Wagner und streckte sich. »Ich bin
dafür, dass wir die Runde noch fertig spielen und ich dann eine Runde laufe,
okay?«
    Â»Wenn du mir in der nächsten dunklen Gasse keine in die Fresse
haust, lauf ich mit«, sagte Bernd.
    Â»Wir nehmen die gut beleuchtete Strecke zum Zoll und wieder zurück«,
sagte Wagner.
    Â»Ist das jetzt eine Garantie?«
    Â»Wart’s ab«, sagte Wagner.
    ~
    Als die beiden losgelaufen waren und Michael die Küche
aufgeräumt und den Tisch sauber gewischt hatte, bekam er Lust auf einen
Spaziergang. Thomas war als Begleiter allerdings nicht mehr zu gebrauchen, er
stierte schon seit einigen Minuten vor sich hin und griff immer wieder
mechanisch nach dem Weinglas. Kurz vor Gemüse, würde Ian seinen Zustand nennen.
    Â»Ich guck noch mal nach E-Mails und geh dann schlafen«, sagte
Michael und ließ Thomas einfach sitzen. Er würde sich schon versorgen, wenn er
weiteren Stoff brauchte. Hoffentlich nicht mit Barolo.
    Bernd hatte die Tastatur ein wenig verschoben, sie lag anders,
leicht schief, das sah Michael sofort und begriff, dass außer ihm, Signora
Fenelli und einem Servicetechniker noch niemand dieses Zimmer betreten hatte.
Und außer ihm und dem Servicetechniker hatte niemand diesen Computer benutzt.
    Eine Mail von Ian war da. Er schrieb, dass Erin und die Band sehr
glücklich seien mit den neuen Songs und dass er selbst ab morgen Abend auch
sehr glücklich sein werde, weil er für eine ganze Woche abhauen könne in sein
Cottage bei Ballybunion, das Michael noch nicht kenne, aber unbedingt bald mal
ansehen kommen müsse.
    Ein Cottage. Das klang schon wieder nach Veränderung. Ian hatte sich
in all den Jahren außer einem Porsche, den er mit fast zärtlicher Begeisterung
fuhr, und den Antiquitäten, nach denen er so leidenschaftlich suchte, so gut
wie nichts geleistet. Er wohnte in derselben Wohnung, die er ganz am Anfang
ihrer Zusammenarbeit mit der Büroetage angemietet und zuerst bescheiden, dann
immer besser eingerichtet hatte, er kleidete sich gut, aber nicht exquisit,
brauchte keine Rolex oder Patek Philippe, keine handgenähten Schuhe – er ließ
all das ihm stetig aufs Konto fließende Geld einfach

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