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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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konnte: »Ein scharfer Verstand
manifestiert sich da«, sagte Thomas.
    Â»Damit kann man Joghurt schneiden«, sagte Wagner.
    Â»Das klingt gehässig«, fand Michael.
    Das Intermezzo hatte sie aus dem Rhythmus gebracht, und sie saßen
da, als wüssten sie für einen Augenblick nicht, wo sie waren, was sie taten,
weshalb sie sich an diesen Tisch gesetzt hatten.
    Â»Du gibst«, sagte Michael schließlich zu Wagner und schob ihm den
Stapel Karten hin.
    Â»Ich habe Corinna jedenfalls nie betrogen«, sagte Wagner so
unvermittelt wie unpassend und nahm die Karten an sich, um sie zu mischen.
    Es entstand eine betretene Pause. Nicht nur, weil man nicht
verstand, was Wagner zu diesem völlig ohne Zusammenhang heraustrompeteten
Geständnis brachte, sondern auch, weil Michael und Thomas an Corinna dachten,
die sich ihnen vor Jahren an den Hals geworfen hatte.
    Â»Wieso sagst du das jetzt?«, fragte Bernd nach einer Weile. »Willst
du hier der Heiligste sein?«
    Â»Nur so«, sagte Wagner, »nein, eigentlich nicht nur so. Eigentlich
wollte ich mal ein paar verlegene Gesichter sehen.«
    Â»Was?«, fragte Bernd.
    Â»Wieso verlegen?«, fragte Thomas.
    Â»Erklärst du das?«, fragte Michael, von einer unguten Ahnung
angeweht, die sich gleich bewahrheiten sollte.
    Â»Du warst mit ihr im Bett.«
    Wagner sah zufrieden aus, als er die Karten verteilte, und er schien
es nicht eilig zu haben, wartete geduldig und, wie Michael zu sehen glaubte,
genussvoll auf seine Reaktion.
    Die gönnte er ihm aber erst mal nicht. Fast das ganze nächste Spiel
ging über die Bühne, ohne dass jemand sich zu Wagners Bemerkung äußerte, und je
länger sie auf Michaels Reaktion warteten, desto schwieriger wurde es für jeden
von ihnen, der Erste zu sein, der etwas sagte.
    Michael ging einiges durch den Kopf, während sie so laut und
deutlich und unbehaglich schwiegen: Wagner schien nichts von Thomas zu wissen,
das war ein kleiner Trost. Ein einzelner Freund, der ihn betrogen hatte, wog
vielleicht nicht so schwer, das konnte Wagner noch als eine Art Unfall
verbuchen. Aber wieso wusste er davon? Redete Corinna im Schlaf? Oder hatte sie
einer illoyalen Freundin davon erzählt?
    Nach einer Weile, in der sie spielten, als lärmte ihr Schweigen
nicht wie ein startender Airbus, sich am Kinn kratzten, mit nachdenklichem
Knurren eine Wendung des Spiels kommentierten und mit ironischem Stöhnen einen
vermeintlich sicheren Stich verloren, kam Michael das Komische an der Situation
zu Bewusstsein, und bevor er so weit gewesen wäre, einfach loszulachen, sagte
er: »Ich wusste nicht, dass ihr verheiratet wart. Ich wusste nicht mal, dass
ihr zusammen wart. Als ich es wusste, war Schluss.«
    Â»Weiß ich«, sagte Wagner. Seine Stimme klang fast gönnerhaft
herablassend.
    Â»Dann kannst du aber eigentlich nicht sauer sein«, gab Thomas zu
bedenken, und Michael wusste, wie erleichtert er war, so unverhofft der Gefahr
entronnen zu sein.
    Â»Das entscheidest nicht du, wann ich sauer bin und wann nicht«,
sagte Wagner, und man hörte seiner Stimme nicht an, ob sie aggressiv klang oder
bedrückt.
    Â»Du auch nicht, oder?«, sagte Thomas. »Sauer ist man nicht mit
Absicht. Da gibt’s nichts zu entscheiden.«
    Jetzt klang Wagner aber eindeutig aggressiv: »Den Coach brauchst du
hier jedenfalls nicht zu geben, das steht dir nicht zu.«
    Â»Ach, und was steht mir zu?«, fragte Thomas verärgert. »Dich zu
bedauern, Michael zu verdammen oder Corinna zu kritisieren?«
    Â»Dich zu schämen«, sagte Wagner, »weiter nichts.«
    Michael spürte wieder diesen Lachreiz. Jetzt, da das Unwetter über
ihn hinweggezogen war, sah er Thomas, der sich schon in Sicherheit gewähnt
hatte, wie einen begossenen Pudel dasitzen und nicht weiter wissen. Wagner
dosierte seine Anklagen. Er machte Solonummern draus. Jeder sollte einzeln
drankommen und sich einzeln schlecht fühlen. Der genoss das tatsächlich. Es war
eine Art Showdown für ihn. Michael lachte nicht. Das Ganze war komisch, aber es
war auch bitter und peinlich.
    Â»Verstehe«, sagte Thomas jetzt, und seine Stimme klang resigniert.
Es wäre zu schön gewesen davonzukommen, sollte aber wohl einfach nicht sein.
    Die Karten hielt inzwischen niemand mehr in der Hand, die wenigen,
die noch nicht ausgespielt waren, lagen umgekehrt vor ihnen auf dem Tisch.
Wagner schenkte ihnen allen Wein nach, als

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