Vier Arten, die Liebe zu vergessen
Jugendfreunde etwas
Altes an sein Ende oder etwas Neues in Gang gekommen war.
Im Flugzeug lieà er Megan den Vortritt ans Fenster, falls sie
schlafen wollte, und sie sah schweigend hinaus, bis das Flugzeug losrannte und
irgendwann schwerfällig abhob, eine steile Kurve über dem Wasser flog und sich
nach Norden, landeinwärts, auf die Alpen zubewegte. Sie nahm wieder seine Hand,
als Michael wieder weinte â diesmal hatte er den anderen Arm frei, um sich das
Gesicht zu trocknen.
»Entschuldige«, sagte er.
»Rubbish«, sagte sie und wandte den Kopf zum Fenster.
Michael wusste nichts gegen den Bildersalat in seinem Kopf zu
unternehmen: Ian, der strahlend sein Cottage betrat, sich auf seinen Freund
freute, dessen Namen rief und ihn schlieÃlich im Bad in blutrotem Wasser liegend
fand, Erin, die jetzt aus irgendeinem Grund wusste, dass Michael das Phantom
war, und ihm seine Heimlichtuerei übel nehmen konnte, Megan, die sich Erin
irgendwann anvertraut haben musste, vor vielen Jahren beim Einstudieren von Goodbye and good luck , die erzählt hatte von einem
Deutschen, der ein freier Mann werden wollte und Ian kannte, Ian, der Erin und
Megan gesagt haben musste, das Phantom sei sein Freund, Ian, der auf den Stufen
vor seinem Cottage saà und sich nicht bewegen konnte, die ganze Nacht hindurch,
bis Erin ihn endlich abholte, Ian, der in Erins Haus saà und sich noch immer
nicht bewegte, Erin, die in seiner Nähe blieb und sich das Schlafen verbot,
weil er jederzeit zu sich kommen und durchdrehen konnte.
Kurz vor der Zwischenlandung in Frankfurt fragte Michael endlich:
»Woher wisst ihr von mir? Hat Ian das gesagt?«
»Erin hat einen Brief von ihrer alten Lehrerin gekriegt«, sagte
Megan. »Gestern. Sie hat dich beschrieben und gefragt, ob so mein free man
ausgesehen hat.«
»Aber unsere Lehrerin wusste das nicht.«
»Ich würde sagen, sie wusste es.«
»Und meine Adresse?«
»Von der Tochter. Erin hat sie heute Morgen angerufen. Direkt
nachdem sie mit Ian in Rosslare ankam.«
~
Nach etwas mehr als fünf Stunden waren sie in Dublin
gelandet, und Megan führte ihn zum Parkhaus des Flughafens und dort zu einem
roten Mini, den sie sehr zügig ausparkte und zur Autobahn steuerte, dann fuhr
sie mit hundertvierzig und schneller (erlaubt waren hundertzwanzig) in weniger
als zwei Stunden nach Rosslare.
Michael fühlte sich wohl in Megans Nähe. Er vertraute ihr, obwohl
sie raste und mit der Lichthupe andere Wagen von der rechten Spur scheuchte und
später auf der LandstraÃe jede Gelegenheit zum Ãberholen wahrnahm, von ihr ging
eine Gelassenheit aus, die Michaels zunehmend verzagter werdende Gedanken an
Erin beruhigte, der er gleich wie ein ertappter Lügner gegenübertreten würde.
Sie parkten vor einer groÃzügigen modernen Villa südlich der Stadt
am Strand. Michael nahm seine Reisetasche vom Rücksitz und folgte Megan, die
einmal kurz an der Tür klingelte, dann aber mit einem eigenen Schlüssel
aufschloss und eintrat.
Sie standen in einem sehr groÃen Raum, der Michael an seinen Salon
erinnerte, nur dass hier fast alles weià war, die Wände, die Sofas, die Sessel,
Teppiche, Regale und Bilderrahmen. Er erkannte einige der Antiquitäten, die Ian
in Venedig gefunden hatte, er sah Ian, der in einem Sessel vor dem Kamin saÃ
und ins Feuer starrte, und Erin, die auf einem der Sofas lag, ein (weiÃes) iPad
in der Hand, auf dem sie etwas schrieb. Sie stand auf.
»Hallo, Geschäftsmann«, sagte sie, »ich hätte dich nicht gestört,
aber das ist ein Notfall.«
Sie kam her zu ihm â sie sah ernst aus, und aus der Nähe waren ihre
Augen müde â, sie legte ihre beiden Hände auf seine Schultern, als wolle sie
ihn damit auf Distanz halten, sah ihm in die Augen, sagte: »Danke, dass du
kommst« und zog ihn an sich, um ihn auf beide Wangen zu küssen.
»Bist du noch wach? Kannst du ein paar Stunden übernehmen?«, fragte
sie, und als Michael nickte, sagte sie noch: »Megan zeigt dir alles« und ging
mit vor Erschöpfung schlurfenden Schritten aus dem Raum.
»Ich löse dich ab in ein paar Stunden«, sagte Megan, zeigte ihm die
Küche, das Bad und das Zimmer, in dem sie schlief, und ging dann eilig zurück
in den Wohnraum, in dem sich nichts geändert hatte: Ian saà da und starrte ins
Feuer.
»Ich mach dir Kaffee«, sagte sie.
Michael setzte sich
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