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Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Vier Arten, die Liebe zu vergessen

Titel: Vier Arten, die Liebe zu vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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auf das Sofa, auf dem noch das iPad lag. Er nahm
es und wischte den Button zum Entsperren beiseite – da war keine Texteingabe zu
sehen, sondern ein Patience-Spiel.
    Als Megan mit dem doppelten Espresso kam, flüsterte sie ihm ins Ohr:
»Die Türen sind abgeschlossen. Lass es so. Zur Sicherheit, okay?«
    Er nickte und fragte, ob er rauchen dürfe.
    Â»Natürlich«, sagte sie. »Du weißt, wo du mich findest, falls du mich
brauchst.«
    Sie strich ihm über die Haare und sah ihn lächelnd an. »Das hätte
ich niemals geglaubt, dass ich dich noch mal sehe«, sagte sie. Dann verschwand
sie und ließ ihn mit Ian, dem Knistern des Kaminfeuers und dem leisen Fauchen
der Brandung von draußen allein.
    ~
    Er musste irgendwann doch eingeschlafen sein, denn er
wusste nicht, wo er war, als er das Rauschen einer Toilettenspülung hörte und
den leeren Sessel vor dem Kamin stehen sah.
    Er sprang auf, als er begriff, dass Ian fehlte, aber der kam in
diesem Moment wieder herein, ging zum Kamin, bückte sich und stocherte mit dem
Schürhaken im glimmenden Feuer, nahm zwei Scheite vom Holzstapel und legte sie
nach, setzte sich dann zurück in den Sessel und starrte weiter in die jetzt
wieder aufzüngelnden Flammen.
    Das alles tat Ian, ohne Michael anzusehen oder irgendein Zeichen zu
geben, dass er sich dessen Gegenwart bewusst war.
    Â»Tut mir sehr leid«, sagte Michael nach ein paar Minuten leise.
    Ian schwieg.
    Â»Hörst du mich?«
    Â»Nein«, sagte Ian, ohne den Kopf zu wenden.
    Â»Ich lass dich in Ruhe«, sagte Michael und nahm das iPad wieder in
die Hand.
    Â»Danke«, sagte Ian.
    Michael öffnete ein Fenster und stellte sich in die fischige
nächtliche Meerluft, um eine Zigarette zu rauchen, dann sah er auf dem
Tischchen kleine Kopfhörer liegen und suchte Musik auf dem iPad, fand Oasis und U 2, Altan und Otis Redding, entschied sich für
Oasis und hörte ein ganzes Album an. Er machte nicht sehr laut, denn er wollte
Ian nicht mit dem Gezirpe aus den offenen Kopfhörern auf die Nerven gehen. Der
machte allerdings nicht den Eindruck, als ob er etwas hörte.
    Nach einem weiteren Album von Oasis und einem halben von U 2 spürte Michael eine Hand an seiner Schulter. Er
erschrak und dachte, er hätte schon wieder geschlafen, aber er war nur in die
Musik versunken gewesen, die ihm unerwartet gut gefiel – da stand Megan im
Morgenmantel und hielt den Finger an die Lippen.
    Michael nahm die Kopfhörer ab und hörte Megan flüstern: »Er
schläft.« Sie deutete auf Ian.
    Â»Das ist schon mal der erste Fortschritt, oder?«, flüsterte auch
Michael, und sie lächelte und sagte: »Fast achtundvierzig Stunden. Endlich. Ich
dusche nur schnell, dann löse ich dich ab, okay?«
    Â»Okay«, sagte Michael, stand auf, öffnete das Fenster und rauchte
noch eine letzte Zigarette für diese Nacht.
    Der Anblick des schlafenden Ian im Sessel vor dem Kamin war
herzzerreißend. Als wäre er auf die halbe Größe zusammengeschrumpft, saß er da,
die Hände zwischen den Beinen und den Kopf zur Seite geneigt. Michael spürte den
Impuls, ihm über den Kopf zu streichen, aber er beherrschte sich, denn erstens
waren Zärtlichkeiten zwischen ihnen nicht eingeführt, und zweitens wollte er
ihn auf keinen Fall wecken.
    Â»Du kannst ausschlafen«, sagte Megan, als sie geduscht und angezogen
wiederkam, »dein Zimmer ist die Treppe hoch und dann gleich links. Du schaust
aufs Meer.«
    Â»Soll ich dir einen Kaffee machen? Oder Tee?«
    Â»Tee. Wasser kocht schon.«
    Aus seiner Zeit in Galway wusste Michael noch, wie man Tee
zubereitet, er wärmte Tasse und Kanne vor, ließ den Earl-Grey-Beutel, der schon
bereitlag, exakt drei Minuten ziehen und trug dann alles zusammen mit einem
Schälchen Kandiszucker und einem kleinen Kännchen Milch auf einem Tablett zu
Megan. Sie nahm es ihm ab, stellte es auf das Tischchen am Sofa und sagte:
»Schlaf gut.«
    Seine Tasche stand auf einem Stuhl im Zimmer. Auch hier war alles
weiß in weiß, nur die Tagesdecke auf dem Bett war kunstvolles Patchwork in
blassen Farben, und darunter kam gemusterte italienische Bettwäsche in
Braunrot, Stahlblau und Blassgelb hervor. Auf dem Bett lag ein grauer Pyjama,
und auf einem Stuhl daneben stand eine Flasche Mineralwasser neben einem Apfel.
    Die Sonne ging noch nicht auf, aber es wurde schon hell, und am
Horizont über Wales

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