Vier auf dem Laufsteg
Wahnsinn!«
Laura hatte die Augen immer noch zugekniffen. »Guter Wahnsinn oder schlechter Wahnsinn?«
»Ich fühle das Anbrechen eines neuen Zeitalters«, verkündete Ted theatralisch. »Kurven sind wirklich wieder in. Und hier habe ich den Beweis vor mir!«
Laura öffnete die Augen, um zu prüfen, ob Ted und Heidi sich über sie lustig machten.
»Ich hab euch doch gesagt, dass ich immer noch nicht in 36 passe. Vielleicht sollte ich jeden Tag noch zwanzig Minuten länger laufen oder so was.«
»Was immer du tust, bleib dabei«, riet ihr Heidi. »Und ich hoffe, du hast für den Rest der Woche noch keine Termine, weil du die nächsten drei Tage ausgebucht bist. Geh und zieh dir was Enges an, wir müssen um zehn in Mayfair sein.«
19
V orstelltermine hatten sich zu Terminen gewandelt. Oder zu Treffen. Oder wie auch immer man das nannte, wenn Laura zu jemandem ging, der sie erwartete und so tat, als wäre ihre pure Anwesenheit eine unendliche Quelle der Freude.
»Ich finde ihr Taille-Hüfte-Verhältnis wunderbar!«, rief ein Moderedakteur aus, nachdem Laura in ein Etuikleid von Roland Mouret gezwängt worden war. »Ich habe diese bügelbrettflachen Mädchen so satt!«
»Sie sieht aus wie eine jüngere, hippere Angelina Jolie«, verkündete der Chefagent des New Yorker Fierce -Büros. »Wir müssen ihre Mappe ins Netz stellen.«
»Diese Akzente isse so exotisch, ja?« Ein italienischer Modedesigner, der Laura gerade bis zur Schulter reichte, presste sie an seine Brust, während sie sich zwang, ihm keine zu scheuern. »Sag noch was, cara mia, irgendwas.«
Aber Termine, Treffen, oder wie immer man sie nennen wollte, bedeuteten noch keine Buchungen.
Das sagte Laura zu Ted, als beide wieder mal auf der Rückbank eines Taxis saßen. Die ganze Woche war sie entweder von ihm oder von Heidi begleitet worden, und obwohl Heidi mittlerweile vor lauter Freundlichkeit fast zerfloss, zog Laura Teds Gesellschaft eindeutig vor. Und sei es auch nur wegen des wunderbar niederträchtigen Klatschs, den er über andere Models und die berühmten Gesichter von Fierce verbreitete, während sie die Augen aufriss und quietschte: »Ehrlich? Das hat er gemacht? Mit einem Spitz? Das glaubst du doch selbst nicht!«
Es war später Freitagvormittag und sie fuhren auf einen »schnellen Kaffee« nach One Aldwych... aber sie wusste nicht mehr, zu wem, nur dass diese Leute total wichtig waren, und deshalb war sie auch mit absoluten Top-Klamotten rausgeputzt.
»Versteh mich nicht falsch, Ted, die Woche war super, und du und Heidi, ihr wart unglaublich nett, aber ich weiß ja, wie es ist. Am Montagmorgen könnte ich mich schon wieder auf einem öffentlichen Klo umziehen, damit mich ein Möchtegern-Fotograf ablichtet, der nicht mal mit einer Einwegkamera klarkommt.« Laura lehnte sich zurück und starrte in das hektische Treiben von Soho, das an ihr vorüberglitt. »Ich will mir keine unrealistischen Hoffnungen machen, bloß weil ich ein paar Termine hatte.«
Sie hörte sich richtig erwachsen an. Wann war das denn passiert?
Teds Lächeln verriet wie immer nichts. Laura fand, dass er bei der Weltmeisterschaft im Pokern beste Chancen haben würde.
»Wenn du eine Fotostrecke für eines der Top-Magazine machen könntest, welches wäre das?«, fragte er und beugte sich vor, um dem Fahrer zu sagen, dass er Cambridge Circus umfahren sollte.
Laura musste nicht lange überlegen.
»In der Wunschwelt wäre das die Vogue , ist doch klar. Und in der Alltagswelt, wo ich realistischer bin, wäre es Polka Dot .«
»Können Sie hier links abbiegen? Und dann durch Seven Dials fahren?« Ted verschränkte die Arme und betrachtete Laura mit einem ungeheuer selbstzufriedenen Blick. »Ich hätte mich ja nie selbst als Fee gesehen, aber nun ist es passiert.«
Laura blickte jetzt überhaupt nicht mehr durch. »Was ist passiert?«
»Ich wollte es dir erst nach unserem Kaffeetreff erzählen, aber ich halte die Spannung nicht mehr aus. Du machst nächste Woche eine Zehn-Seiten-Strecke für Polka Dot und dann wurdest du ausdrücklich von Vogue für eine Reportage über neue Designer angefragt. Dafür wollten sie ein neues, aufstrebendes Model und du warst ihre einstimmige Wahl.«
»Ist das auch so eine Geschichte wie die von dem venezolanischen Model und den Bundesliga-Fußballstars?«, fragte Laura sauer. »Von der ich weiß, dass du sie dir nur ausgedacht hast? Okay, ich hab’s nicht sofort gemerkt, aber dann hab ich es doch rausgekriegt.«
Ted strich über die
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