Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
Vom Netzwerk:
Pointe verraten hatte. Trotzdem fing ich an, aber nach zwei Sätzen kam Maik zurück und wurde johlend und mit Applaus empfangen. Er drängte sich zwischen Jenny und mich ans Feuer, um zu trocknen.
    »He!«, knurrte ich, aber das war ihm egal.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte sie ihn.
    »Aus Spaß. Das war ein Witz.«
    »Du hättest sterben können.«
    »Sterben kann man jeden Tag.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin hier schon öfter gesprungen. Das Wasser ist tief genug.«
    »Würdest du es wieder tun?«
    »Wenn du es sagst.« Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen.
    »Du spinnst«, sagte sie, stand auf und ging fort. Fort von Maik, fort von meinem Feuer.
    Er rief ihr hinterher: »Ich dachte, ihr Frauen wollt immer, dass man tut, was ihr sagt.«
    Ein paar Jungen lachten, Jenny nicht. Sie setzte sich ans nächste Feuer und fragte auch nicht mehr nach der Friedenthaler.
    Was alle an der Geschichte amüsierte, war, dass er einfach nur über die Brücke hätte gehen müssen, um eine Chance bei ihr zu haben; langsam und immer geradeaus. Das war etwas, das jeder geschafft hätte, jeder andere zumindest. Sie zu beeindrucken, indem er runtersprang, was sich niemand sonst getraut hätte, hatte ihm alles versaut.
    »Weißt du, was das beweist?«, fragte er mich, weil ich neben ihm saß, und stieß mit mir an. »Abgesehen davon, dass Frauen keinen Humor verstehen?«
    »Nein.«
    »Dass sie, egal, was sie sagen, doch immer die Langweiler bevorzugen.«
    Ich stieß ein kurzes Lachen aus. »Was beweist, dass ich kein Langweiler bin.«
    Wir tranken.

9
    Und dieser Maik, der nachts einfach so von einer Brücke sprang und danach sagte, sterben kann man jeden Tag, dieser verrückte Hund, der keine Angst zu kennen schien, kniete nun zusammengesunken vor Christophs Grab, obwohl die beiden nur lose befreundet gewesen waren. Christoph hatte das Skaten ausprobiert, wie er alles Mögliche ausprobiert hatte, und da hatten sie sich hin und wieder getroffen.
    »Es tut mir leid«, sagte Maik wieder, die Stimme war nun fester. Und dann hob er die rechte Hand und mit ihr eine schwere Pistole, die ich bislang nicht hatte sehen können. Seine Hand zitterte, und so nahm er die Linke dazu. Keuchend drückte er sich den Lauf gegen die Stirn, die Kimme nach unten, den Griff nach oben gerichtet. Er zog die Nase hoch und atmete tief durch. Zweimal.
    Sterben kann man jeden Tag.
    Wie erstarrt glotzte ich auf die Waffe und glaubte, dass Maik noch immer zitterte. Doch das hielt ihn nicht ab, ganz langsam, Zentimeter für Zentimeter, ließ er die Kimme über die Nasenwurzel hinabgleiten und öffnete den Mund, um die Mündung aufzunehmen. Er drückte den Rücken durch und schloss die Augen.
    Er wollte sich in den Kopf schießen.
    Ohne darüber nachzudenken, was man in einer solchen Situation tun sollte, platzte es aus mir heraus: »Sag mal, spinnst du?«
    Augenblicklich zuckte Maik zusammen. Beinahe ließ er die Waffe fallen, sie glitt ihm schon aus der Hand, doch hastig packte er wieder zu, wirbelte herum und fuchtelte – noch immer auf den Knien – mit ihr in meine Richtung. »Wer ist da?«
    Ich warf mich hinter dem nächsten Grabstein in Deckung und zerschmetterte mit dem Knie ein Grablicht. Das gesplitterte Plastik zerkratze mir die Haut und stach in die Schürfwunden, die ich mir beim Überklettern der Mauer geholt hatte. Blut quoll heraus. Mein Kinn schlug hart zwischen Blumen auf, süße Pollen drangen mir in die Nase, lockere Erde in den Mund. Zornig spuckte ich sie aus und zischte: »Tu die Waffe weg, du Idiot!«
    »Zeig dich!« Auch er zischte mehr, als dass er rief. Ob er die Waffe noch erhoben hielt, konnte ich aus meinem Versteck nicht erkennen.
    »Ich bin doch nicht blöd.« Ich zog die Beine näher an den Körper und suchte eine Position, aus der ich aufspringen konnte, sollte er sich nähern. Ich wusste nicht, ob er in seiner Verfassung auf mich schießen würde, und auch nicht, wie ich mich wehren sollte. Aber ich würde mich wehren. Ich musste einfach schneller sein.
    Wie kam der Typ nur an eine Waffe?
    In mir regte sich Angst. Warum hatte ich nicht einfach die Klappe gehalten? Hätte er doch lieber sich als mich erschossen.
    »Zeig dich, Mann!« Seine Stimme wurde drängender, lauter.
    »Halt die Fresse, die Schwerdtfeger hört uns noch.« Ich wusste nicht, wieso mir gerade das in den Kopf kam, wieso ich mir darüber Sorgen machte, wieso ich es auch noch aussprach, aber es war keine Situation, in der man klar dachte.
    »Jan?

Weitere Kostenlose Bücher