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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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alten Tannen und anderen Toten, umschlossen von der hohen Mauer aus dunkelroten Ziegeln. Niemals würde er von hier fortkommen, und dieser Gedanke hätte ihn sicher angekotzt.
    Ich wünschte, du müsstest nicht ewig hier liegen , dachte ich, als die nächste Sternschnuppe über mir verglühte, aber was sollte all das Wünschen helfen, wenn man es laut Statistik im August jede Minute tun konnte? So vieles wurde niemandem erfüllt.
    Und wenn du keine Sternschnuppe siehst, darfst du dir gar nichts wünschen.
    »Die verarschen dich von klein auf«, murmelte ich und sprang von der Mauer nach draußen. Ich wollte nicht mehr dumpf dasitzen und mich verarschen lassen, wollte nicht mehr auf Sternschnuppen warten, an deren Wunderkräfte ich nicht glaubte, wollte nicht nur wünschen und tun, was andere wünschten: den Rasen mähen, eine Party ausrichten, sich lautlos mit dem Verlust eines Freundes arrangieren und reglementierte Besuchszeiten bei den Verstorbenen einhalten. In diesem Moment fühlte ich einfach nur Trotz, und der Trotz tat gut.
    Der grau gekieste Feldweg hinter unserem Haus führte am Rand des Dorfs entlang bis zum Friedhof. Langsam setzte ich mich in Bewegung, ohne noch einmal zum Haus zu blicken. Es war Christophs Geburtstag, also würde ich ihn auch besuchen, die verlogene Party konnte mich mal.
    Durch die Hornhaut an meinen Füßen spürte ich die Steinchen kaum, manchmal pikste eines ein wenig, doch das tat eher gut als weh. Bald wurde ich schneller, ich verfiel in einen Laufschritt, und schließlich rannte ich sogar. Nun spürte ich den kantigen Kies deutlich, doch das war egal. Christophs Grab zu besuchen, war die erste sinnvolle Sache, die ich an diesem Tag tat. Ich musste einfach rennen.
    Schwer atmend erreichte ich die Rückseite des Friedhofs und stützte mich mit den flachen Händen an der Mauer ab. Die alten Backsteine waren rau und kühl. Nach wenigen Augenblicken richtete ich mich wieder auf.
    Die Kirchturmuhr schlug dreimal. Dreiviertel zwölf, ich hatte es noch an seinem Geburtstag geschafft. Das Tor mit den schlichten dunkelgrauen Stangen war um diese Zeit schon verschlossen. Drüberzuklettern war nicht schwierig, doch es lag vorn an der Straße, direkt im Schein einer Straßenlampe, und ich wollte mich nicht erwischen lassen. Ich blickte mich nach einem nahen Baum oder einem Ding um, das ich als Trittbrett nutzen konnte, und bemerkte den Schemen eines Motorrads, das an die Mauer gelehnt war, knappe zehn Meter vom Weg entfernt und im Dunkel kaum zu erkennen. Von einem Fahrer keine Spur, also lief ich über den Grünstreifen. Die Maschine stand da, als sollte sie versteckt sein.
    Selinas Vater wollte Christoph nach dem Abendessen nicht mehr im Haus haben, und so stellte er sein Fahrrad nachts nie in der Einfahrt ab, sondern kettete es drei Häuser weiter an eine Laterne. Er stieg über das Garagendach und das Fenster darüber in ihr Zimmer, und so verschwand er auch wieder irgendwann in der Nacht.
    »So ein blöder Trottel«, sagte Christoph zu mir. »Als könnten wir tagsüber keinen Sex haben. Oder irgendwo draußen. Wenn er da ist, müssen wir eh leise sein. Mein Haus, meine Tochter, mein Abendessen, ich bin hier der Alphadepp. Uga, uga.«
    »Hast du ihm das auch so gesagt?«
    »Idiot!« Er lachte.
    Dass man sich noch als Besitzer eines Motorrads vor Vätern verstecken musste, war eine deprimierende Vorstellung. Dabei war es sogar ein Chopper, wie ihn Rocker fuhren. Auf den zweiten Blick bemerkte ich, dass der Motor recht klein war, er hatte nur zwei Zylinder. Doch nur ein protziges Leichtkraftrad, das man mit sechzehn und dem A1 fahren durfte. Das Logo auf dem silber-schwarzen Tank war ein Raubvogel mit ausgebreiteten Flügeln, unter dem schwarzen Sattel stand DD 125E. Mit der Reihe 1, 2, 5 konnte ich nichts anfangen. An den Seiten hingen zwei schwarze Satteltaschen, ich sah nicht hinein.
    Ich blickte nach rechts und links, und als ich niemanden entdeckte, stellte ich mich auf den Ledersattel. Ich konnte spüren, wie Erde von meinen Zehen auf den Sattel rieselte, und hoffte, dass jetzt nicht zwei schlecht gelaunte Rocker um die Ecke kamen, denen der Chopper gehörte.
    Nein, 125 mussten die ccm sein, ein Leichtkraftrad, keine Rockermaschine, nur ein Möchtegern-Rocker. Das machte es irgendwie auch nicht besser.
    Vom Sattel aus erreichte ich ohne Mühe die Kante der Mauerkrone. Ich legte die Handflächen oben ab, ging in die Knie und sprang. Sofort drückte ich die Ellbogen durch und beugte

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