Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
das sehen und kotzen und kann trotzdem nicht wegschauen, wie hypnotisiert, und mein Auge starrt zurück. Und wie ich an mein hin und her schwappendes Auge gedacht hab, musste ich plötzlich lachen. Kurz dachte ich, ich dreh durch, aber ich bin nicht gesprungen.«
»Du schaust zu viele Splatterfilme.«
»Kann sein.« Maik stieß ein kurzes Lachen aus, mehr ein Prusten.
»Wenn du dich umbringst, hilft das Christoph auch nicht mehr.«
»Aber mir.« Er sagte es leise, unsicher.
»Unsinn.«
Prüfend sah er mir in die Augen, mehrere Sekunden lang, dann wandte er sich dem Grab zu. Die Pistole legte er vorsichtig auf die Erde vor sich. Voller Abscheu starrte er sie an, als hätte sie ein Eigenleben und könnte ihn anspringen wie ein Tier. Entschlossen schob er den Unterkiefer vor und hob den Blick zum Grab. »Fuck.«
Ich atmete tief durch und hoffte, dass es damit vorbei war, doch ganz traute ich der Waffe nicht.
Schweigend saßen wir nebeneinander.
»Danke«, sagte er nach einer Weile.
»Ja.«
Ich hatte auch schon mal an Selbstmord gedacht. Ich war überzeugt, dass die meisten das irgendwann taten, wenn auch nicht richtig. Man dachte daran, wie man an Sex mit einem Filmstar dachte. Man stellte es sich richtig vor, malte es sich in Einzelheiten aus, auch wenn man eigentlich wusste, dass es nicht geschehen würde. Den Filmstar traf man nicht zufällig auf der Straße, also konnte man den Mangel an Gelegenheit verantwortlich machen. Beim Selbstmord nicht, da gab es genug Gelegenheiten, und trotzdem taten die meisten den letzten Schritt eben nicht. Nicht einmal den vorletzten. Ich hatte mir nie eine Waffe an den Kopf gehalten. Ich hatte nicht einmal Zugriff auf eine. Ich hatte nur von einer Brücke gestarrt.
Bevor ich Maik fragen konnte, woher er sie hatte und wie es nun weitergehen sollte, hörten wir Schritte, die sich vom Eingang her über den Kies näherten. Offenbar waren wir zu laut gewesen.
»Hinter die Tannen«, raunte ich, und wir huschten auf Zehenspitzen weiter in den Schatten hinein. Leise drückte sich jeder hinter einen eigenen Stamm, nur fort von den befestigten Wegen.
Die Schritte verharrten. Wer auch immer da kam, hatte etwas gehört.
Wir machten uns so schmal wie möglich und hielten den Atem an, die borkige Rinde drückte durch das T-Shirt in meinen Rücken. Irgendwas rieselte auf mein Haar, trockene Brösel oder ein Käfer, der sich totstellte und gleich weiterkrabbeln würde. Ich rührte mich nicht und hoffte, dort kämen weder die Schwerdtfeger noch die Bullen, obwohl die niemals so schnell hätten hier sein können. Und die Schwerdtfeger hätte laut gemosert und jeden Schatten irgendwelcher Untaten bezichtigt. Dennoch blickte ich mich nach möglichen Fluchtwegen um.
Zögernd setzten sich die Schritte wieder in Bewegung, direkt auf uns zu.
Der weiß, wo wir sind , schoss es mir durch den Kopf. Das Kribbeln auf meinem Kopf wurde stärker, als wären es zwei oder drei Käfer, die sich zwischen den Haaren verfangen hatten. Ich wollte sie fortschütteln, tat es aber nicht, sondern hielt verbissen die Luft an. Nichts durfte uns verraten. In dem Moment fiel mir die Pistole ein; ich konnte mich nicht erinnern, dass Maik sie bei der Flucht an sich gerissen hatte. Weder er noch ich, sie musste noch vor dem Grab liegen.
Shit! Verzweifelt presste ich die Lippen aufeinander, um nicht laut zu fluchen. Es war zu spät, um sie zu holen. Die Schritte waren zu nah.
Er hat kein Licht bei sich , beruhigte ich mich, er würde die Waffe übersehen, wenn er nicht zufällig direkt draufstarrte. Sie war klein und dunkel, nicht viel mehr als ein unauffälliger Huggel im Gras. So viel Pech konnten wir nicht haben.
Ich schielte zu Maik. Er schien unser Problem auch erkannt zu haben, schätzte es jedoch anders ein. Hektisch deutete er zum Grab vor, formte mit Zeigefinger und Daumen eine Pistole und hielt sie sich an die Schläfe. Ich hoffte, damit wollte er mir nur mitteilen, wir wären geliefert. So nervös, wie er herumhampelte, würde er uns noch verraten, und wenn der Unbekannte dann die Pistole entdeckte, müsste Maik nicht einmal selbst abdrücken.
Blödsinn, das hier ist kein Gangsterfilm! Niemand würde auf uns schießen.
Nachdrücklich schüttelte ich den Kopf, um Maik davon abzuhalten, etwas zu tun. Egal, was.
Die Schritte kamen näher und näher, und ich lugte vorsichtig um den Stamm. Ich konnte einen Schemen erkennen, klein, zierlich und weiblich.
Sie kam genau auf uns zu. Wenn sie nicht zufällig
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