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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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…« Sie biss sich auf die Lippe und brach ab.
    »Was?« Ich lächelte wieder, lächeln war immer gut. »Komm, sag schon.«
    Und dann war Christoph plötzlich bei uns. Über die Musik hatte ich ihn nicht kommen hören.
    »Wenn man vom Teufel spricht«, sagte ich und dachte: Warum kannst du Idiot nicht wegbleiben?
    Er hatte zwei Becher Bier dabei, drückte einen Selina in die Hand und ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen. Dann stießen die beiden an.
    »Was geht?«, fragte er mich. »Wo sind die anderen?«
    »Unten.« Vage deutete ich in das weite Rund der Kiesgrube und war froh, überhaupt ein Wort herauszubringen.
    »Wir kommen nachher auch mal bei euch vorbei.«
    »Klar.« Ich sah Selina an und bildete mir ein, sie sah traurig zurück, auch wenn ich nicht wusste, weshalb sie es sein sollte. Mit einem Nicken zu Christoph erhob ich mich, jetzt wusste ich, was er mir nicht gesagt hatte.
    »Bis dann.« Ich fragte nicht, seit wann sie zusammen waren, gestern, vorgestern, letzte Woche. Vielleicht waren sie auch gar nicht richtig zusammen, sondern nur so, und alles wäre morgen schon wieder vorbei. Wäre es wichtig, hätte er doch was gesagt?
    Meine Laune war dahin, ich warf keine Kiesel mehr nach fremden Getränken und war froh, dass ich mich nicht wirklich in sie verliebt hatte, nicht in die Freundin meines besten Freundes. Das tat man nicht, auch wenn der Depp die Klappe gehalten hatte. Als ich sie beim Tanzen beobachtet hatte, hatte ich es ja nicht gewusst. Sonst hätte ich weggesehen.
    Es war nichts passiert, und wahrscheinlich wäre auch nichts passiert, aber irgendwie stand dieses winzige Gespräch immer zwischen uns. Ich hätte mich in Selina verlieben können, Hals über Kopf und rettungslos, aber ich konnte mit ihr nicht normal befreundet sein. Sie schaffte es immer, mich zu reizen, und nur wenn es darauf ankam, hielten wir zusammen. Christoph war unser Mörtel.
    Einmal verkuppelte sie mich mit einer Freundin, damit wir als zwei Pärchen gemeinsam Dinge unternehmen konnten, aber das hielt nicht einmal zwei Wochen. Wir knutschten und fummelten ein bisschen herum, zu sagen hatten wir uns nicht viel, und weiter gehen wollte sie nicht. Wir waren zu viert Eis essen und einmal im Kino, und dann trennten wir uns, ohne uns richtig zu zoffen, ohne dass es wirklich wehtat. Selina war sauer und gab mir die Schuld.

11
    Selina war bis zu seinem Tod mit Christoph zusammen gewesen, insgesamt fast ein ganzes Jahr, und es hatte keine Anzeichen eines Endes gegeben. Und so dachte ich von ihr immer noch als Christophs Freundin, nicht als seine Ex. Man sprach ja auch von einer Witwe, nicht einer Exfrau. Nur bei einem unverheirateten Paar gab es keinen passenden Begriff, als wäre dann die Trauer nicht so schlimm. Dabei gab es Ehepaare, die sich schlugen und umbrachten, und Unverheiratete, die ihr ganzes Leben miteinander verbrachten. Aber die Sprache kümmerte das nicht, als wäre sie katholisch.
    Selina hatte verweinte Augen, hielt sich jedoch aufrecht, als sie zu uns trat; sie war schon immer stolz gewesen. Sie trug eine schwarze Jeans und eine dünne schwarze Strickjacke über einem schwarzen Top, in der Hand hielt sie eine einzelne rote Rose. Das lange blonde Haar, das Christoph so geliebt und sie sich am Tag nach der Beerdigung abgeschnitten hatte, reichte ihr wieder fast bis zum Kinn.
    Keiner hatte gewagt, sie zu der Party einzuladen. Warum Ralph und Knolle gekniffen hatten, konnte ich nur raten – ich selbst hatte mich geschämt. Spätestens da hätten wir die Party absagen müssen. Aber wie begründete man das? Musste es nicht so klingen, als wäre uns zu spät eingefallen, dass Christoph doch keiner Erinnerung wert war?
    Unsinn.
    »Feiert ihr jetzt hier?«, fragte sie bissig. Natürlich wusste sie von der Party, irgendeiner tuschelte immer oder postete es bei Facebook.
    »Das ist nicht meine Party«, sagte ich leise, ohne ihr in die Augen zu sehen. »Ralph und Knolle und die anderen feiern. Ich nicht.«
    Sie nickte langsam, doch ihr Gesicht blieb unbewegt. Dann musterte sie Lena von oben bis unten.
    Lena starrte zurück.
    »Aber zumindest du siehst aus, als wolltest du feiern«, sagte Selina.
    »Ich hab nur jemanden besucht, der mir wichtig war. Das wollte ich nicht in Alltagsklamotten tun.«
    »Ich dachte, du trägst immer Schwarz.«
    Lena öffnete den Mund, schloss ihn wieder und murmelte: »Nicht immer. Heute schon.«
    Einen langen Augenblick musterte Selina sie noch, dann wandte sie sich wieder mir zu. Maik schien

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