Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)
Erbstreitereien, wo eine Katze ein Konto bekommen hat, und jetzt wollen plötzlich alle die Katze, Felix heißt sie, nur irgendein Neffe will sie lieber vergiften, und eine Tante hat das Testament angefochten, aber mit irgendeinem Formfehler, und … Das kann ich dir schlecht alles am Telefon erzählen, ich bin nur froh, dass wir anders ticken.«
(…)
»Nein, ich weiß nicht, wie das rechtlich mit der Katze ist, aber ich will nicht, dass Felix vergiftet wird. Ich hab Fotos gesehen, der ist total süß.«
(…)
»Nein, nicht gefährlich. Ganz und gar nicht, wir fahren ja nicht zu dem Giftmischer. Sie braucht nur eine Außenstehende, die emotional nicht so drinhängt. Und du hast doch gesagt, ich soll wieder mehr unter Menschen gehen, mich nicht mehr verkriechen. Jetzt kümmere ich mich um eine Freundin, und es ist dir wieder nicht recht …« Selina zog einen perfekten Schmollmund. Eigentlich hatte sie nicht viel gesagt, nur dies und das angedeutet, und so vieles, dass ihre Mutter bestimmt nicht durchblickte. Aber wie sie es sagte, war famos. Als wäre sie wirklich besorgt, als wäre das alles wichtig und quälend, als verdiene diese fiktive Freundin alles Mitleid und alle Unterstützung der Welt, und die arme Katze hatte sogar einen Namen. Mit Tieren hatte jeder Mitleid, die Masche zog immer.
(…)
»Kennst du nicht.«
(…)
»Lena.«
Lena hob überrascht den Kopf.
(…)
»Aus München.«
(…)
»Was?«
(…)
»Nein, keine Drogen.«
Die Pausen, in denen Selina nicht sprach, wurden länger. Ihre Mutter schien das Gespräch an sich zu reißen, Selina wirkte immer defensiver. Ihre Mutter schien mehr und mehr zu sagen zu haben. Ich glaubte nun manchmal ihre Stimme zu hören, die spitz aus dem Handy strömte. Verstehen konnte ich noch immer nichts.
»Das ist gerade ungeschickt … Nein, wirklich …«
(…)
»Okay.« Sie nahm das Handy vom Ohr, hielt es zu und drehte sich verzweifelt zu Lena. »Sie will dich sprechen. Unbedingt.«
»Kein Problem.« Lächelnd streckte Lena die Hand aus und nahm das Handy. »Grüß Gott, Frau Schmidtbauer. Wie geht’s Ihnen?« Plötzlich klang sie sehr viel münchnerischer als sonst. Jedes Wort war nun vom bayrischen Dialekt gefärbt, und sie sprach laut und selbstbewusst, wie man es von einem Münchner erwartete.
(…)
»Ja, die Selina ist ein Schatz. Ohne sie würde ich das hier nie packen, nicht nachdem mein Vater uns sitzen hat lassen. Und jetzt mit meinem verrückten Cousin, das hätte ich nie gedacht, er war immer so nett. Meine Cousinen sind völlig fertig, die sind auch noch jünger, und verstehen es nicht, gerade das mit Felix, den hat mein Onkel eigentlich der Susi geschenkt, ihm bedeutet das Tier nichts, und Susi hat Felix versteckt, und jetzt ist er ausgebüxt, oder Jochen hat ihn sich gekrallt, und das verstehen Susi und Elena noch weniger und … Ach, ich fang schon wieder an zu plappern, und Sie kennen ja meine Familie gar nicht, ich will Sie damit gar nicht vollquatschen. Ich bin nur so froh, Selina an meiner Seite zu haben, sie ist die beste Unterstützung, die man sich nur vorstellen kann.«
(…)
Lena lachte gequält. »Ja, das ist ein riesiges Durcheinander, ich blicke selbst nicht ganz durch.«
(…)
»Danke. Das hoffe ich auch. Und meiner Mutter richte ich aus, dass sie sich bei Ihnen melden kann. Vielen Dank noch mal.«
Ich sah dem Gespräch zu und beschloss, nie wieder einem Mädchen zu glauben. Ich hätte schon längst gestammelt und gezögert, ich konnte höchstens Dinge verschweigen, aber noch nicht einmal das besonders gut.
»Wunderbar, Frau Schmidtbauer«, sagte Lena. »So machen wir das. Nur noch eine Frage: Wenn meine Tante uns bittet, ein bisschen zu bleiben, weil sie seelischen Beistand braucht, vor allem wegen Susi, könnte Selina dann vielleicht bei mir übernachten?«
(…)
»In Eching.«
(…)
»Wunderbar, danke. Auf Wiederhören, Frau Schmidtbauer. Bis dann. Und ich gebe Ihnen Ihre Tochter noch mal.« Lena reichte Selina das Handy.
»Mama?«
(…)
»Ja, ich melde mich. Auf jeden Fall, versprochen. Danke, du bist die Beste.« Und damit legte sie auf und wandte sich an Lena: »Danke.«
»Das war leicht. Ich musste nur freundlich sein und bla bla bla, Katze, Tränendrüse, bla bla bla. Um ein richtiger Big Brother zu werden, muss deine Mutter noch viel lernen.«
»Mir reicht’s. Wenn ich heimkomme, muss ich ihr alles haarklein erzählen, von Felix und Susi, dem Neffen und allem. Da brauche ich Stunden, um mir das
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