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Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Vier Beutel Asche: Roman (German Edition)

Titel: Vier Beutel Asche: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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zu Lena und erkannte, dass das Staufach aufgeklappt war.
    »Es war hier drin!«, rief sie.
    »Und Christoph?«, fragte ich bang. Aus meiner Lage konnte ich die Beutel nicht erkennen, ich konnte nichts im Fach erkennen. Was sollten wir tun, wenn die Asche weg war? Wie sie wiederfinden?
    »Ist noch da.«
    Kurz spürte ich Erleichterung, aber das hielt nicht lange an. Lenas Geld war weg, sie hatte fast unsere ganze Barschaft gehabt. Nach den letzten Einkäufen waren wir anderen fast pleite. Mit den Füßen tastete ich nach meinem Geldbeutel, den ich tief unten im Schlafsack versteckt hatte. Das tat ich immer, seit ich in der Nürnberger Jugendherberge beklaut worden war. Er war noch da, und als ich ihn herausfischte und öffnete, fehlte nichts. Auch Maik und Selina hatten ihr Geld noch, aber alles zusammen war nicht einmal genug für das Benzin bis zum Meer, ganz zu schweigen vom Essen und dem Weg zurück. Wir hatten mehr Münzen als Scheine.
    »Die Knarre ist auch noch da.« Maik klang erleichtert. Er war blass und hatte dunkle Augenringe.
    »Vielleicht hast du es gestern woanders hingetan?«, fragte Selina.
    »Nein.«
    Trotzdem suchten wir zwischen den trockenen Überresten der Baguettes und in Maiks Satteltaschen und sahen auch unter die Isomatten und Decken. Schließlich fanden wir den Geldbeutel irgendwo am Waldweg im Gras. Alle Scheine waren daraus verschwunden sowie ein Foto von Lena mit ihrem Knochenroller.
    Maik fluchte und schleuderte einen Stein zwischen die Bäume. Raschelnd schlug er durch das dichte Laub und dann laut gegen einen Stamm. Verkniffen stierte Maik ihm noch sekundenlang hinterher.
    »Und jetzt?«, fragte Selina. Sie hatte dunkle Ringe oder verschmiertes Make-up unter den Augen. »Wie kommen wir ohne Benzin und Essen ans Meer?«
    Lena starrte den Waldweg entlang und murmelte vor sich hin, dem Gesichtsausdruck nach irgendwelche Drohungen oder Rachefantasien. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und presste sich die Fingernägel in die Haut.
    »Lena …« Ich ging zu ihr.
    »Lass mich in Ruhe!« Ihre Wut war wie ein Schlag ins Gesicht.
    »Aber …«
    »Lass mich einfach in Ruhe!« Sie wich zurück und drehte sich um, stapfte einfach davon.
    »Lass sie.« Maik folgte ihr mit schweren Schritten.
    Ich ließ sie gehen und kickte einen Stein in den Fluss. Was sollte das? Ich hatte das Geld schließlich nicht genommen.
    Mein Blick fiel auf den dunklen Brandfleck, noch immer lag dort schwarzgraue Asche, etwas weiter drei leere Weinkanister. Mehr war von der Party nicht geblieben.
    Gelegenheit macht Diebe , heißt es, aber das galt genauso andersherum: Diebe verschafften sich Gelegenheiten. War das gestern alles nur Ablenkung gewesen? Hatte Fabienne mich ins Wasser gelockt, damit ein anderer freie Bahn hatte, um uns zu beklauen? Ich dachte an ihre Küsse, erinnerte mich an den Geschmack ihrer Lippen und spuckte aus. Und Lena war von Robert abgelenkt worden, Maik von der lustigen Pille und alle von allen. Ich fühlte mich verraten und verletzt. Ich hatte mich lebendig gefühlt, und alles war eine Lüge gewesen.
    Wütend schrieb ich Fabienne eine SMS. Ich kannte das französische Wort für Schlampe und ergänzte alle verletzenden Adjektive, die mir einfielen, französische und englische und vielleicht auch aus Übereifer ein deutsches. Und dann schickte ich ihr noch eine zweite Nachricht hinterher, dass sie für so viel Geld wirklich mehr hätte leisten können, als nur zu küssen, und es sei nicht einmal gut gewesen.
    Sie antwortete nicht. Bestimmt schlief sie noch in ihrem weichen Bett und träumte davon, wie sie unser Geld verprasste. Oder sie hatte mir eine falsche Nummer gegeben. Dann hatte ich jetzt irgendwen beleidigt.
    Fluchend kickte ich einen Weinkanister in den Fluss. Mit einem Knacken riss er an der Seite auf und wurde von den Wellen fortgespült. Das tat gut. Ich sah mich nach den anderen beiden um und bemerkte Selina.
    Sie stand da, die Arme um den Körper geschlungen, und starrte dem davontreibenden Plastik hinterher. Langsam sank sie in die Hocke, als könnte sie nicht mehr stehen. Ich ging zu ihr.
    »Warum schütten wir Christophs Asche nicht einfach in den Fluss? Sie kann dem Kanister bis ins Meer folgen, alle Flüsse fließen ins Meer.« Sie klang vollkommen niedergeschlagen und sprach so leise, dass ich sie kaum verstand.
    »Das ist nicht dasselbe«, knurrte ich trotzig. Ich war nicht bereit, mich geschlagen zu geben, nicht wegen so einer diebischen, non -sagenden Fabienne, nicht,

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